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VI. Legenden.
3. Und nachdem sie eingerichtet
Und bewohnt das kleine Haus,
Schauten sie mit klugen Augen
Gar verständig nach mir aus.
4. Ja, es schien, sie hätten gerne
Manches zwitschernd mir erzählt,
Und es habe sie betrübet,
Was zur Rede noch gefehlt.
5. Eins ums andre, wie ein Kleinod,
Hielten sie ihr Haus in Hut.
Sieh doch, wie die kleinen Köpfchen
Streckt hervor die junge Brut.
6. Und die Alten, eins ums andre,
Bringen ihnen Nahrung dar;
O, wie köstlich ist zu schauen
So ein liebes Schwalbenpaar!
7. Mutter, weißt du noch, wie neulich
Krank im Bett ich lag und litt?
Pflegtest mich so süß, und abends
Brachte Vater mir was mit').
Ad. v. Chamisso.
VI.
Legenden.
254. Das Zefnsbrünnlein^).
1. Hoch auf dem Hörselberge
Hielt unter treuer Hut
Ein Schäfer seine Herde
In heißer Sonnenglut.
2. Die armen Schäfchen lechzten
Nach einem Wasserstrahl;
Der Hirte selber schwankte
Matt von des Durstes Qual.
3. Wohin er gieng und blickte,
Vertrocknet war der Quell,
Vertrocknet Fluß und Bächlein,
Ihn labend sonst so hell?).
4. Da fällt er auf die Kniee
Und stammelt im Gebet,
Indes vor seinen Augen
Sich Erd' und Himmel dreht3).
5. „Mein Jesus, lieber Heiland,
Hilf gnädig mir durch Gott,
O, hilf mir durch Maria
Aus solcher großen Not!"
6. Und als er zu dem Himmel
Noch betend sah empor,
Sprang aus dem nahen Felsen
Ein frischer Quell hervor.
7. Dem Heiland freudig dankend.
Streckt' aus er seine Hand
Und schöpfte neues Leben
Sich an der Felsenwand H.
8. Und nie seitdem versiegte
Der kühle Gnadenquell;
Das Jesusbrünnlein rieselt
Noch heute silberhell °).
A. Bube.
255. Des fremden Kindes heiliger
Christ.
1. Es läuft ein fremdes Kind
Am Abend vor Weihnachten
Durch eine Stadt geschwind,
Die Lichter zu betrachten,
Die angezündet sind.