Der Storch als Erretter.
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in der mondhellen Nacht gen Eichstädt getrieben, wohin er den Weg
von dem Sandhandel her genau kannte. Seine Mutter erschrak freilich,
als sie ihn in aller Frühe wecken wollte und das Nest leer fand. Und
sie konnte nicht einmal gehen, ihn zu suchen oder ihm nachzufragen.
Denn die Ziegen waren schon alle aus den Ställen gelassen und standen
meckernd auf der Gasse oder naschten von den Blumenstöcken vor den
Fenstern des Pfarrhauses. Übel oder wohl, mußte sie thun, als wäre
ihr Benedikt krank. Sie nahm Geißel und Stecken und trieb das Vieh
selbst auf den Berg, wo sie den langen, langen Tag unter vergeblichem
Warten und Sorgen zubrachte. Aber als sie abends hinter der ge—
hörnten Schar das Dorf hinunterging, kamen einige Maultiere herauf
ihr entgegen. Auf dem vordersten saß ihr Benedikt hinter einem Knechte
des Fürstbischofs, und zwar so munter, daß die Witfrau sogleich sah,
es müsse ihm den Tag über nicht schlecht gegangen sein.
Und so war es auch. Der Bischof hatte sich sogleich für die
Pflastersteine des Sandbuben entschieden und die fremden Steinmetzen
wieder in ihre Heimat entlassen, den Knaben aber mit sich in sein Haus
genommen, gespeist und ihm versichert, daß er für ihn und seine Mutter
sorgen wolle. Dann hatte er ihn mit dem Baumeister, der das Stein—
lager untersuchen sollte, nach Solenhofen zurückgehen lassen.
Der Bischof hielt Wort. Nachdem Benedikt bei einem Meister
Steinmetz in Eichstädt in der Lehre gewesen war, ließ er sich in Solen—
hofen nieder und hatte fortwährend so viele Bestellungen an Pflaster—
und Quadersteinen, daß es ihm und seiner Mutter nie mehr an dem
täglichen Brot fehlte.
61. Der Storch als Erxrrelter.
Nach dem Jlustrierten Hausfreund. Neue Serie Nr. 172.
In einem norwegischen Dorfe lebte eine Witwe mit ihrem einzigen
Sohne. Ganz nahe ihrer kleinen Hütte schlug alljährlich ein Storch
seine Wohnung auf und war bald der Freund des kleinen Konrad, der
sein Kommen im Frühling herbeisehnte und während der Sommer—
monate ihm manchen Leckerbissen zutrug. Sobald Konrad pfiff, kam
Freund Langbein eilig herbei, fraß aus seiner Hand Raupen und anderes
Getier, und klapperte er dann befriedigt, so nahm Konrad das als
Ausdruck seines Dankes wohlwollend entgegen.
Jahr um Jahr ging dahin; aus dem Knaben wurde ein Jüngling,
und da er den Seemannsberuf erwählt hatte, mußte er von seiner
Mutter scheiden. Das Schiff, auf dem er Dienste genommen hatte, segelte
nach der afrikanischen Küste, wurde hier aber von Seeräubern angefallen,
und die Leute wurden als Sklaven verkauft. Die arme, einsame Mutter