Full text: [Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband]] (Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband])

Freytag: Gottes Strafgericht ꝛc. Kugler: Die Schlacht bei Leipzig. 211 
Da ergriff Verzweiflung ihre Herzen. An jedem Morgen lagen 
Haufen Erfrorener um die ausgebrannten Wachtfeuer. Meilen um 
Meilen weit war der Weg mit Toten und Sterbenden, mit Waffen 
und Geschütz besäet. Nur der zehnte Teil langte an der Beresina an, 
um sich den Übergang über diesen Fluß zu erkämpfen. Aber zu früh 
brach die Brücke, und Tausende fanden in den eisigen Fluten ihr Grab. 
Da verließ Napoleon heimlich sein Heer; in einem Schlitten rettete 
er sich nach Deutschland. Von der halben Million Soldaten, die einst 
die große Armee waren, schlichen kaum 20 000 krank und mit erfrorenen 
Gliedmaßen hinter die Weichsel zurück. Es war eine Herde armer 
Sünder, die ihren letzten Gang angetreten hatten, es waren wandelnde 
Leichen. 
VUngeordnete Haufen, aus allen Truppengattungen und Nationen 
zusammengesetzt, ohne Kommandoruf und Trommel, lautlos wie ein 
Totenzug nahten sie der preußischen Grenze. Alle waren unbewaffnet, 
keiner beritten, keiner in vollständiger Montur, die Bekleidung zerlumpt 
und unsauber, aus den Kleidungsstücken der Bauern und ihrer Frauen 
ergänzt. Was jeder gefunden, hatte er an Kopf und Schulter gehängt, 
um eine Hülle gegen die markzerstörende Kälte zu haben. Selten trug 
einer Schuh oder Stiefel; vielen waren die Füße mit Stroh umwickelt, 
mit Decken, Lappen, dem Fell der Tornister oder dem Filz von alten 
Hüten. Alle wankten, auf Stöcke gestützt, lahm und hinkend. So schlichen 
sie daher, Offiziere und Soldaten durcheinander, mit gesenktem Haupt, 
in dumpfer Betäubung. Die Hand des Herrn hatte sie getroffen. 
74. Die Schlacht bei Leipzig. (1813.) 
Nach Bernhard Kugler. Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland. 
München, 1886. 
Die Energie des Blücherschen Heeres, welches sich der Nordarmee 
genähert und bei Wartenburg an der Mündung der schwarzen Elster 
nach ruhmreichem Gefecht die Elbe überschritten hatte, trug reiche Früchte. 
Die Bahn ins westliche Sachsen, gen Leipzig, war frei, und ohne Zaudern 
rückte das schlesische und hinter ihm das Nordheer auf derselben vor. 
Napoleon, hierdurch im Rücken bedroht, wendete sich deshalb von 
Dresden ebenfalls gegen Leipzig, und das böhmische Heer überschritt 
endlich das Erzgebirge, um bei dem nun unvermeidlichen Hauptkampf 
in der weiten Leipziger Ebene nicht zu fehlen. So drängten sich die 
Streitkräfte halb Europas auf engem Raum zusammen: in wenigen 
Tagen mußte die Entscheidung über die Zukunft des Erdteils fallen. 
Das erste Gefecht fand am 14. Oktober statt. Große Reitermassen 
beider Parteien trafen bei Liebertwolkwitz aufeinander und maßen sich 
lange in hitzigem Kampf. König Murat, der glänzende Führer der 
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