§. 190.
Das Nömerreich.
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sitzungen durch Militär-Colonien (Placentia, Cremona) zusichern suchten.
Die fruchtbaren Landstriche diesseit und jenseit des Flusses wurden vorerst in
die.italische Wehrgenossenschaft hineingezogen und durch Heerstraßen (den
Flaminischen und Aemilischen Weg) mit der Hauptstadt in Verbindung
gesetzt, in der Folge aber unter dem Namen Gallia cisalpina in eine
römische Provinz verwandelt.
§. 190. Mittlerweile wußten sich die Karthager, unter dem Einfluß der
mächtigen Barcidenpartei in dem metallreichen Südspanien für die Verluste
zu entschädigen. Der Besitz von Gades (Eadix) und anderen günstig gelegenen
Küstenpunkten erleicherte ihnen die Eroberung des Landes. Die alten Bewoh¬
ner der Halbinsel, sowohl die Keltiberer und Lusitaner in den mittleren und
westlichen Landschaften, als die Cantäbrer und Basken in Nordspanien vermoch¬
ten, trotz aller Tapferkeit und Gewandtheit im Schaarenkrieg, bei ihrer inneren
Zerrissenheit, Zwietracht und Stammeseifersucht der pnnischen Kriegsmacht und
dem strategischen Geschick ihrer Befehlshaber nicht zu widerstehen. In dem männlich
kräftigen Hamilkar und seinen drei Söhnen, „der Löwenbrut", die er als
„Erben seiner Entwürfe, seines Genies und seines Hasses" im Feldlager aufzog,
hatte die nationale Kriegspartei der Karthager fähige und unternehmende Füh¬
rer. Hamilkars Eroberungen am Guadalquivir lBätis) und an der Guadiana
(Anas) wurden von seinem Nachfolger und Schwiegersohn Hasdrubal weiter
ausgedehnt und Neu-Kcurthago (Carthagena), ein trefflicher Waffenplatz,
mit dem guten Hafen und Hasdrubals prächtiger „KönigSburg" angelegt. Durch
das Feldherrntalent Hamilkars, der im besten Mannesalter in offener Feld¬
schlacht tapfer kämpfend den Tod fand, und durch die staatsmännische Gewandt¬
heit Hasdrubals wurde in Spanien ein karthagisches Reich gegründet, das die
schönsten Landschaften auf der Süd- und Ostküste der Halbinsel umfaßte und
durch Ackerbau, Bergwerke und Handelsverkehr reich und blühend war. Dies
erweckte die Furcht und den Neid der Römer. Sie zwangen daher den Has¬
drubal, in einem Vertrag zu erklären, „daß er den Ebro (Jb?rus) als die
Grenze anerkenne, über welche hinaus Karthago nicht berechtigt sein sollte, seine
Eroberungen auszudehnen", und schlossen zugleich mit der reichen und mächtigen
Handelsstadt Sagnntum im Süden dieses Stromes, die als eine griechische
Eolonie von Zakynthos galt, ein Schutzbündnis Das Mißtrauen führte bald
zum Bruch, als durch die Wahl des Heeres an die Stelle des durch Mörder¬
hand frühe dahingerafften Hasdrubal, Hamilkars achtundzwanzigjähriger Sohn
Hannibal trat, der mit der Klugheit seines Vorgängers die Kühnheit und den
Feldherrnblick seines Vaters verband und als Knabe am väterlichen Altar dem
römischen Namen ewigen Haß geschworen hatte. Sein festgebauter, im Laufen,
Fechten und Reiten geübter Körper war so abgehärtet, daß er alle Beschwerden,
AMühseligkeiten und Entbehrungen des Lagerlebens leicht ertrug. Nach einigen
glücklichen Fehden mit spanischen Völkerschaften nahm Hannibal einen Grenz¬
streit zum Vorwand, um Roms Bundesstadt Sagunt zu belagern und dadurch
den über kurz oder lang doch nnausweichbaren Krieg herbeizuführen. Umsonst
mahnten ihn römische Gesandte davon ab; er wies sie an den karthagischen
Senat, bedrängte aber indeß die Stadt so hart, daß er sie im achten Monat