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90 IV. Sagen.
42. Hildebrand und Alebrand (Hadnbrand).
Iduna. Deutsche Heldensagen. Wiedererzählt von K. H. Keck. Leipzig.
König Dietrich von Bern hatte in blutigem Kampfe sein
Reich an seinen Oheim, den König Ermanrich, verloren. Lange
Jahre verbrachte er dann an dem Hofe Etzels, des mächtigen
Königs der Hunnen, bei dem er in hohen Ehren stand. Aber
auch mit dessen Hilfe vermochte er nicht, sein Reich wieder zu
erobern. Endlich erwachte die Sehnsucht in ihm, die Heimat,
die er so lange hatte entbehren müssen, wiederzusehen, und
er trat die Reise nach Italien an. Nur wenige Begleiter nahm
er auf der Fahrt mit sich; aber es waren erprobte Helden, und
unter ihnen ragte besonders der greise Hildebrand, der Waffen¬
meister des Königs, hervor. Als sie an die Grenzen von Dietrichs
Reich kamen, ward ihnen gute Botschaft; der König Ermanrich
war gestorben, und Dietrich durfte nun hoffen, wieder in den
Besitz seines Königreiches zu gelangen. Hildebrand aber be¬
schloß, allein vorauszugehen nach Bern, um weitere Kunde ein¬
zuziehen. In Bern, hatte man ihm berichtet, hause als Vogt
des Landes sein Sohn Alebrand, den er einst als Kind mit seiner
treuen Gemahlin Ute zurückgelassen hatte, als er mit Dietrich
geflohen war.
Wohlgemut ritt Hildebrand dahin. Das Herz war ihm freudig
bewegt von der Hoffnung auf Wiedersehen mit seinem Sohn und
auf Einführung seines Herrn in seinen rechtmäßigen Besitz.
Er pfiff ein fröhliches Lied, und wenn er im Sattel sieh erhob,
lachte er im Gefühl seiner Kraft. „Wenn mein Sohn,“ sagte
er halblaut, „nur recht in die Art der Wölfinge eingeschlagen
ist, daß auch er einst als greiser Mann sich so jugendlich fühlt!
Aber er ist unter der Obhut seiner einsamen Mutter aufge¬
wachsen, sie hat ihn vielleicht verzärtelt, daß er im Waffenwerk
ein Stümper ist.“
Die Wege waren ihm noch alle kund aus früheren Zeiten,
und so gelangte er noch vor Abend in die Nähe von Bern.
Schon sah er die Türme der Burg, und er spornte sein Roß zu
schnellerem Trab. Da begegnete ihm ein junger, stattlicher
Reiter auf weißem Rosse; der Mann hatte lockiges, hellblondes
Haar und saß vornehm und mit untadeligem Anstand im Sattel;
auf seinem Schilde war Bern mit seinen Türmen abgebildet.
Sollte das nicht Alebrand sein? Dem Alten trieb die Freude
das Blut in die Wangen, und rasch sprengte er auf den ihm