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VII. Aus der Natur.
dem leisesten verdächtigen Geräusch im Maul in die Höhle zurück.
Schon im Juli wagen sich die hoffnungsvollen Kinder allein auf
die Jagd und suchen bei einbrechender Dämmerung ein junges
Häschen oder Eichhörnchen zu überraschen, ein junges Hasel¬
oder Steinhuhn im Neste zu erlauern, oder wäre es auch nur
eine Wachtel oder ein Goldhähnchen oder gar eine Maus, während
die kleinsten einen Wurm oder eine Grille zerzupfen. Sie haben
schon ganz die Art der Alten. Die länglich spitze Schnauze
sucht emsig am Boden die Fährte, die feinen Öhrchen stehen
gerade aufgerichtet, die kleinen, graugrünen, schiefen, blitzenden
Äuglein durchspähen scharf das Revier, der weichwollige Schweif
folgt leise dem leisen Tritt der leicht auftretenden Sohlen. Bald
steht der junge Jäger mit den Vorderfüßen auf einem Stein und
spürt umher, bald duckt er sich in den Busch, um die Ankunft
der Nestvögel zu erwarten, bald steht er heuchlerisch harmlos
am Stalle, wo nächtlicher Weile das riiuntere Volk der Mäuse
das Heugesäme durchsucht. Im Herbste verlassen die Jungen
den elterlichen Bau ganz und leben in eigenen Löchern; denn
der Fuchs ist noch ungeselliger als der Wolf und sucht kaum
zur Jagd seinesgleichen auf. In strengen und schneereichen
Wintern macht er durch den Schnee lange Gänge bis zu seinem
Bau; dann hört man in kalten Nächten weit umher sein helles
Gekläff, aus dem die Jäger strenge Kälte prophezeien.
In den Ebenen hat Meister Reineke gewöhnlich ein behag¬
licheres Leben als im Gebirge. Dort lacht ihm die süße Wein¬
traube, die er oft mit seinen Gefährten zu Tausenden verzehrt, die
saftige Aprikose, die schmelzende Birne; dort gibt es unbewachte
Hühnerhöfe, etwa auch einen honigschweren Bienenstock, viele
Hasen, Rebhühner, Wachteln und Lerchen. Im Gebirge geht’s
viel knapper her. Das wilde Geflügel ist viel seltener und scheuer;
dagegen erhascht er manchmal in dem kristallhellen Waldbache
eine schöne Forelle oder etliche Krebse. Selbst die von Lawinen
verschütteten Menschen frißt der Fuchs an; nichts Lebendiges
oder Totes ist vor ihm sicher, wenn er es bezwingen und
genießen kann. Den Igel schützt sein Stachelkleid nicht vor
Reinekens ränkevoller List; er zerrt und quält ihn so lange, bis
der arme Gewappnete endlich sich aufrollt und preisgibt.
In der Gefahr bewährt der Fuchs seine außerordentliche
Pfiffigkeit. In einer Falle gefangen und stark verwundet, ver¬
rät er sich nicht mit einem Laute des Schmerzes und beißt sich
in der Stille das Bein ab, um fliehen zu können. Kann er nicht
mehr fliehen, so greift er mit großer Beharrlichkeit zu der List,