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die Schwimmhäute oder die ganzen Füße abgebissen, lebendigen Schweinet
große Löcher in den Speck genagt, selbst ganz kleine Kinder angefressel
haben. An Getreide, Kartoffeln, Obst, Käse, Butter, Brot, Fleisch und
anderen Esswaren thun sie außerordentlichen Schaden. In Ölgefäße, denen
sie nicht anders beitommen können, stecken sie ihre Schwänze und lecken sie
dann ab. Sperrt man ihrer mehrere zusammen und füttert sie nicht reich-
lich, so frisst eine die andere auf. Mäuse. erhalten sich nur dann in ihret
Nähe, wenn sie zwischen festen Steinen enge Löcher haben. Gegen die
Wanderratten schützt weder Hag noch Mauer, weder Thüre noch Schloss.
Wo sie keinen Weg haben, bahnen sie sich einen, durch die stärksten
CEichenbohlen und durch dicke Mauern nagen und wäöühlen sie sich
indurch.
z .. merkwürdige Erscheinung ist der Rattenk önig. Du darfst
dir darunter nicht, wie sonst die Leute meinten, eine besonders große Raite
vorstellen, die, angethan mit goldener Krone, auf einer Menge unter ein-
ander verwachsener Ratten als ihrem Throne sitzt und von da aus det
ganzen Rattenstaat regiert. Der Rattenkönig besteht vielmehr aus einer
Menge von Ratten, die mit den Schwänzen zusammengewachsen sind. Er
kann sich nicht von der Stelle bewegen und muss daher von nitleidigen
Kameraden ernährt werden. Woher diese Erscheinung rührt, kann
nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Wahrscheinlich war die Wiege,
in welcher die kleinen Ratten lagen, so eng, dass die Thiere nicht
genug freie Bewegung hatten. Dazu scheint aber noch eine besondere
Krankheit der einzelnen Haare, die an den Schwänzen stehen, ge-
kommen zu sein und das Verwickeln und Verwachssen derselben befördert
zu haben. Nach Brehm und Lenz.
382. Der Kalk.
In vielen Gegenden unseres Vaterlandes giebt es Kalksteinbrüche.
Geduldig und ruhig liegen die Steine beisammen und bilden den
Berg. Ohne Widerrede lassen sie sich von den Steinbrechern heraus-
reißen, behauen und fortfahren; fügsam lassen sie sich zum neuen Hause
zusammensetzen. Sie zeigen sich so theilnahmlos gegen alles, was um sie
her vorgeht, dass man im Sprichworte von einem Menschen, der zu
niemand Liebe hat, zu sagen pflegt: er hat ein Herz wie Stein. Doch
täuscht auch hier der Schein. Der Kalkstein vermag leidenschaftlich zu lie-
ben, obgleich er seinen Freund sorgfältig vor unsern Augen verbirgt. Wer
ist er? Cr, der unbeweglich liegende, feste Stein erwählte sich einen lustigen,
leichten Gesellen, das Wasser. Von Natur flüssig und immer auf den
Beinen, würde es nie eine Ruhestätte finden, wenn nicht der Kalkstein
seiner sich annähme. Er nimnt es nach seiner langen Irrfahrt als Nebel
und Wolke, als Regen und Schnee auf und vereinigt es mit sich zum
festen, harten Steine. Cin Kalkstein, weleher vier Pfund wiegt, enthält
ungefähr drei Pfund Kalk und ein Pfund Wasser. Aber du kannst den