10
hin und bringt mir hundert Goldgülden: unter keiner andern Bedingung werdet
ihr es erfahren. Die Weisen, denen kein ander Mittel übrig blieb, wollten die Frist
nicht verstreichen lassen und brachten ihm die verlangten Goldstücke. Der Schmied
nahm sie, bevor er ihnen ein Wort sagte, Stück für Stück in die Hand und be¬
schaute das Gepräge, welches auf der einen Seite den Kopf des Kaisers darstellte,
mit aufmerksamem Wohlbehagen. Als das geschehen war, sagte er den Weisen alles,
was er dem Kaiser über die acht Pfennige gesagt hatte. Da gingen sie befriedigt
von ihm und erwarteten den Ablauf der acht Tage.
Als diese verstrichen waren, ließ sie der Kaiser vor sich berufen, um die Ant¬
wort der Weisen aus die ihnen vorgelegte Frage zu hören, und sieh, sie sagten ihm
genau dasielbe, was er von dem Schmied gehört hatte. Den Kaiser wunderte es
sehr, wie sie das erfahren hätten. Er ließ also den Schmied vor sich rufen und
gedachte bei sich selbst: Den will ich gut bezahlen. Sie werden ihm mit Versprechun¬
gen und Drohungen so lange zugesetzt haben, bis er ihnen alles verrathen hat;
durch ihre eigene Weisheit hätten sie es nun und nimmermehr herausgebracht. Da
hat er sich aber selber geschadet.
Als nun der Schmied kam, redete ihn der Kaiser an: Meister, ihr habt euch
schwer an meinem Gebot vergangen, indem ihr verriethet, was ich befahl geheim
zu halten: das wird euch übel bekommen. Da sprach der Schmied: Gnädiger Herr,
ihr habt zu verfügen, nicht bloß über mich, über die ganze Welt, nach euerm Wohl¬
gefallen; ich unterwerfe mich euch wie einem geliebten Vater und Herrn. Wißt
aber, daß ich nicht glaube, wider euer» Befehl gehandelt zu haben, denn ihr befahlt
mir, niemand was ich euch gesagt zu offenbaren, ich hätte denn zuvor hundertmal
euer kaiserliches Antlitz geschaut. Ich durfte daher dem Ansinnen der Weisen des
Landes kein Gehör geben, bevor ich nicht der gestellten Bedingung Genüge geleistet.
Diese suchte ich also zu erfüllen und ließ mir, ehe ich ein Wort sagte, hundert
Goldgülden geben, besah in ihrer Gegenwart euer darauf ausgeprägtes Antlitz und
sagte ihnen dann erst, was sie zu wisien begehrten. Damit, gnädiger Herr, meine
ich nicht wider euch verstoßen zu haben.
Als dieß der Kaiser hörte, mußte er lachen und sprach: Geh mit Gott, du
bist klüger als meine Weisen. Der Herr schenke dir Heil und Segen! Damit be¬
urlaubte sich der Schmied und lebte fortan in Frieden nach seiner Weise.
Simrock.
6. Die zwölf Eier.
Ein reicher holländischer Kaufmann, der zu Cleve in einen Gasthof einritt,
bestellte sich zwölf gekochte Eier. Er konnte sie aber, als sie gebracht wurden, nicht
verzehren, weil eben ein Eilbote eintraf, der ihn in einer dringenden Angelegenheit
heimberief. Er verließ auch sogleich das Haus, sprang wieder zu Pferde und ritt
fort, ohne die Eier bezahlt zu haben. Zehn Jahre nachher begab es sich aber, daß
der Kaufmann wieder in demselben Gasthof einkehrte. Da sagte er zu dem Wirth,
er wäre heut nicht zum ersten Mal in seinem Hause: vor vielen Jahren hätte er
sich einmal zwölf Eier bei ihm kochen lassen: die wär er noch schuldig. Ja, sagte
der Wirth, die sind euch angerechnet und werden euch auch theuer genug zu stehen