Full text: Für die untern und mittlern Klassen (Theil 1, [Schülerband])

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Aber mit fürchterlicher Stimme schrie Achill ihn an: „Schweig und stirb, 
du Hund! Glaubst du, ich werde auf deine Bitten hören? Ha! ich wollte, mich er¬ 
bitterten Zorn und Wuth so sehr, daß ich selbst dein rohes Fleisch verschlingen 
könnte, denn du hast es an mir verdient! Und keiner soll sich unterstehen, die Hunde 
von deinem Leibe zu verscheuchen! Mögen die Troer auch zwanzigfältige Sühnung 
bieten, ja, wollte Priamus dich mit Golde aufwiegen: dennoch soll die Mutter dich 
nicht in weiche Gewänder hüllen und dich unter Wehklagen bestatten, sondern Hun¬ 
den und Vögeln des Feldes will ich dich zum Fraße geben!" 
„Ach, das dachte ich wohl!" wimmerte der sterbende Hektor, „denn ich kenne 
dich ja, du bist nicht zu erweichen und hast ein eisernes Herz. Aber bedenke, daß 
diese Härte dir noch den Zorn der Götter erwecken kann. Es wird ein Tag der Ver¬ 
geltung über dich kommen!" 
Das waren Hektors letzte Worte. Mit ihnen hauchte er seine Seele aus. 
Achilles achtete der Drohung so wenig als der Bitte, sondern er übte an dem Tod¬ 
ten die schimpflichste Behandlung, die seine Rachsucht ihm eingeben wollte. Zuerst 
nahm er ihm den schönen Waffenschmuck ab und gab ihn den herbeieilenden Gefähr¬ 
ten zu tragen, die den Hektor bei seinem Leben nie so nahe gesehen hatten und 
die Schönheit des Wuchses, den kraftvollen Bau der Arme und Schenkel und die 
herrliche Wölbung der männlichen Brust bewunderten und staunend betasteten. „Bei 
den Göttern!" sagte mancher, den die Freude witzig machte, „jetzt ist Hektor viel 
sanfter anzufühlen als damals, da er Feuer in unsere Schiffe warf!" 
Den nackten Körper zu den Schiffen tragen zu laffen, war der unersättlichen 
Rachgier Achills nicht genug. Hinter seinem Wagen her wollte er ihn schleifen, und 
zu dem Ende durchstach er ihm die Sehnen beider Füße hinten zwischen Ferse und 
Knöchel und zog einen Riemen hindurch, den er an den hintern Theil seines Wa¬ 
gens knüpfte. Dann schwang er sich selbst hinauf und trieb die schnellen Rosse an, 
daß sie im Galop über Staub und Stein, über Leichen und Blut hinflogen, indeß 
seine Myrmidonen hintennach zogen und einen gräßlichen Siegesgesang anstimmten. 
Zuerst ging der Zug bei dem skäischen Thore vorüber, um die Troer, die 
dort auf der Mauer standen, desto tiefer zu kränken. Ach, der Zweck ward nur zu 
sehr erreicht, denn noch saßen der alte Priamus und Hekuba, seine Gemahlin, oben, 
die gar nichts wußten von dem schrecklichen Ausgange des Kampfes, der am ent¬ 
gegengesetzten Ende der Stadt geführt war. Gütige Götter, welch ein Anblick für 
den alten ergrauten Vater, für das zärtliche Mutterherz! Ihr tapferster Sohn, 
Trojas Stolz und letzte Zuversicht, da schleifte er nun an den Rädern des Sieger¬ 
wagens, Schultern und Kopf in Blut und Staub gewälzt, die glänzende Brust, 
das blühende Gesicht, das wallende Haar mit Schlamm und Moder besudelt! Aus 
ganz Troja erhob sich die verzweifelnde Klage, als hätte schon die Stadt ihr Ende 
erreicht und ginge bereits unter in verzehrenden Flammen. Becker. 
24. Ulysses und der Cyklop. 
„Auf unsrer *) weiteren Fahrt kamen wir nun zu dem wildlebenden grausamen 
Volke der Cyklopen. Diese bauen das Land gar nicht, sondern überlaffen alles den 
1) Nlysies erzählt feine Irrfahrten bei den Phäaken.
	        
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