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Aue der Kiffhäuser,um dessen geborstenes Gemäuer Sagen und Lieder
klangen in Sehnsucht nach der deutschen Einheit, die jetzt, nachdem sie
glücklich und glorreich errungen, durch ein großartiges Kaiserdenkmal auf
der Höhe des Berges verherrlicht ist.
Als Hauptwasserader Thüringens ist die S a a l e anzusehen, die
vom Fichtelgebirge nach Norden der Elbe zuzieht. In großen Schlangen^
Windungen bahnt sie sich ihren Weg durch ein schönheitgesegnetes Tal.
Ihre Wellen ziehen vorüber an mancher alten Stadt, an Weinbergen
und Trutzburgen und tragen zu Flößen verbunden zahllose Stämme des
Gebirgswaldes. Sie empfängt von links her die Abflüsse des Thüringer¬
waldes, besonders Schwarza und Ilm und vom Eichsfeld die Herzader
des nördlichen Thüringen, die Unstrut, die ihrerseits wieder von rechts
und links die Gewässer der Höhen (Gera, Wipper und Helme) sammelt
und der Saale zuführt.
B.
Es ist eiu schönes Land, durch das diese vielverzweigten Wasser
rauschen, ein Land, das nach guter, alter Sitte zu Fuße zu durchstreifen
sich reichlich lohnt. Da weitet sich das Herz und Luft und Licht und
Duft locken immer weiter zur frohen Wanderung. Die leicht eingesenkten
Mulden, in deren Grunde die klaren Bäche murmeln, sind von frischen
Wiesen bedeckt, aus deren Grün das bescheidene Vergißmeinnicht und
die gelbe Dotterblume leuchten. In ben lichtblätterigen Hainen prangen
heller Weißdorn, die schlichte Blüte der Erdbeere und Brombeere und
das blaublühende Immergrün. Die Waldränder sind geschmtickt mit
Hecken wilder Rosen, deren zierliche Blüten sich hell von den dunkleren
Blättern abheben.
Und dieses schöne Land ist bewohnt von einen: glücklichen Volk.
In üppigem Grün stehen die F e l d e r, die, sorgsam abgegrenzt, Zeugnis
ablegen von dem Fleiße der Bewohner. Wo der Boden seine größte
Fruchtbarkeit zeigt, drängen sich die menschlichen Wohnstätten enger zu¬
sammen. Die Erde vermag hier viele ihrer Kinder zu ernähren. Aus
den: hellen Grün der Obstbäume, im Mai fast verdeckt vom weißen
Blütenschnee, schimmern die roten Ziegeldächer der Dorfhäuser, die
sich gesellig um die turmgekrönte Kirche schmiegen. Da und dort grüßt
ein stilles, träumerisches Landstädtchen, das wie vergessen von der
lärmenden Straße des Weltverkehrs abliegt. Aber in der Nähe des
eisernen Schienenweges häufen sich die Häusermassen immer mehr und
hochragende Schornsteine deuten auf die geräuschvollen Arbeitsstätten des
neuzeitlichen Gewerbelebens. Weichen die Getreidefelder zurück vor