Full text: [Teil 5 = Kl. 5 (6. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 5 = Kl. 5 (6. Schuljahr), [Schülerband])

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die erwähnte Platanenallee, an den Prinzen Ferdinand erinnern 
das Wachthaus, Tempel, Grotten und Statuen. Das gotische Haus 
ließ ein späterer Besitzer errichten. 
Schön muß es in diesem Park sein in einer warmen Sommer— 
nacht, wenn der Vollmond durch die hohen Baumwipfel scheint 
und Glühwürmchen im Gebüsch leuchten, aus dem der schwüle Duft 
der Rosen dringt. Dann gehen hier wohl die Geister der Ver— 
gangenheit mit leisem Raunen und zauberhaftem Flüstern und 
Lachen. Aber schöner war es am strahlenden Maimorgen, mit 
dem berauschenden Duft des Faulbaums und der Maikräuter und 
dem hundertstimmigen Vogelgesang, aus dem das schluchzende 
Locken der Nachtigall siegreich hervordrang. Sie sang in dieser 
Stille unbekümmert um Tag und Sonnenschein alle Leidenschaft 
ihres kleinen Vogelherzens inbrünstig heraus. 
Der Park ist mit Geschmack angelegt. Schattige Boskette und 
Alleen mit lauschigen Ruhesitzen wechseln mit weiten Rasenflächen, 
die Durchblicke auf das Schloß und auf die Felder und Villen von 
Karlshorst gewähren. 
Hochgeschwungene Brücken führen über ein rasch fließendes, 
klares Flüßchen, dessen Flut von Schwänen anmutig belebt ist. 
Mitten durch den Park führt eine Allee von Edeltannen; sie leitet 
zum Friedhof der Tresckowschen Familie. Die Gräber tragen alle 
gleiche schlichte Sandsteinplatten mit Namen und Datum — ein 
einzig stimmungsvoller Begräbnisplatz, um den der Frühling seine 
blumengefüllten Hände öffnet. 
Niemand begegnete mir in den verschlungenen Gängen des 
Parkes; die Vögel flogen zutraulich dicht an mir vorbei, und 
einige weiße Falter flatterten über die Wiese. Ich empfand es 
als ein Glück, daß es in unserem lauten Leben noch so schöne, 
stille Plätze gibt wie diesen Herrensitz. 
Eine kurze Eisenbahnfahrt, und ich war in Treptow. Aus 
der traumhaften Stille ins frohe Leben. Die Spree lag ruhig 
glänzend wie ein breiter Silberstreifen, nur eben sich kräuselnd, 
wenn ein kleiner, noch schwach besetzter Dampfer im neuen weißen 
Frühlingskleide kokett daherrauschte. Auch in Stralau blühten die 
Bäume, und die alte Kirche blickte wie verjüngt aus dem 
neuen Grün. 
Auf dem sonnigen Uferweg tönte frohes Lachen und Plaudern.
	        
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