— 251—
„Gemacht wird da gar nichts, mein Sohn,“ sagte der Onkel, „das
Geschäft besorgt der Most selber. Der ausgepreßte Traubensaft kommt
nun in große Fässer, die ihr bereits im Keller unten liegen sehen könnt.
Darin fängt er bald an, gewaltig zu rumoren; das braust und rauscht
so sonderbar, als ob ein Heer von Geistern in den Fässern arbeitete und
schaffte, und wir sagen dann, der Wein „gärt“. Bei diesem Vorgange
setzen sich die unreinen Teile sämtlich ab und bilden die Hefen und den
krustigen Weinstein. Die Flüssigkeit wird dadurch natürlich heller und
reiner und muß mehrmals auf andre Fässer gezogen werden, bis sie
ruhiger und goldklarer geworden ist. Der Zuckerstoff, den ihr ganz leicht
aus dem Moste hier herausschmeckt, verwandelt sich nach und nach in
Alkohol. Das ist der gefährliche Geist, der dann den Wein so berau—
schend und feurig macht, und der im Kopf anfängt zu rumoren, wenn
einer gar zu oft und tief ins Glas schaut.“
Mittlerweile lief der Mostquell an der Kelter dünner und spärlicher
und drohte, allmählich zu versiegen, obwohl der Schraubendruck immer
mehr verstärkt worden war. Da drehten denn die Männer die Schraube
auf, entfernten den Verschluß, und ein großer, aus Stielen und Trauben⸗
hülsen gepreßter Kuchen wurde sichtbar. Diesen zerschnitten und zerstückelten
fie mitiels eines großen Messers, worauf abermals gekeltert wurde.
„Was macht ihr nun mit dem Überrest, wenn der Most völlig
herausgepreßt ist?“ fragte Fritz.
„Das ist der Trester,“ versetzte einer der Männer, „den kauft der
Branutweinbrenner, der ihn gar gut zur Branntweinbereitung verwenden
kann⸗
6. Nachdem sich nun unsre beiden Stadtkinder mit Muße alles be—
sehen und am Moste nach Herzenslust gelabt hatten, wanderten sie wieder
nach den Weinbergen, wo des Onkels Leute immer noch rüstig bei der
Lese waren.
Als dann der Abend allmählich seine dunkeln Schleier über die weite
Landschaft ausbreitete, log da und dort ein zischender Schwärmer auf,
oder ein Schuß krachte durch die Luft, beantwortet vom fröhlichen Jauchzen
der Leser.
Bald tönte vom Kirchturm die Feierabendglocke, und mit Sang und
Klang, wie sie gekommen, zogen die Leute wieder nach Hause, um sich
bei einer kräftigen Mahlzeit für des Tages Mühe zu entschädigen.
So ging's nun die ganze Woche hindurch unter Lust und Rührigkeit
mit Lesen und Keltern. Alle Tage zogen Fritz und Hans singend mit
hinaus, und war es einmal gar zu frisch draußen im Weinberg, so trugen