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Fick.
Wilhelm Fick.
166. Nürnberg.
Nürnberg scheint auf den ersten Blick eine recht un¬
günstige Lage zu haben. Der ganze Landstrich ist wenig
fruchtbar, auch zieht kein großer Strom vorbei, der zur
Ansiedlung hätte locken können. Um so merkwürdiger ist
es, daß gerade hier eine so bedeutende Stadt entstanden
ist. Eine nähere Betrachtung wird uns das Rätsel lösen.
Ein Blick auf die Karte belehrt uns, daß das Regnitz¬
becken durch seine süd-nördliche Richtung, seine geringe
Tiefe und seine Bodengestaltung, die nirgends dem Ver¬
kehr größere Hindernisse entgegenstellt, eine natürliche
Verbindung zwischen dem Norden und Süden Deutsche-
lands darstellt. Es ist darum erklärlich, daß sich seit alter
Zeit ein lebhafter Handelsverkehr in dieser Richtung hin
entwickelte. Die Erzeugnisse des Nordens wurden auf
diesem Wege nach dem Süden, die des Südens nach dem
Norden befördert.
Einen mächtigen Aufschwung nahm dieser Verkehr seit
den Kreuzzügen. Italienische Kaufleute brachten die Er¬
zeugnisse des Morgenlandes, kostbare Pelzstoffe, Seiden-
und Baumwollengewebe, Teppiche, Zucker und mancherlei
Gewürze nach Italien. Von hier aus, namentlich von
Venedig und Genua, wurden sie dann auf den Alpenstraßen
nach Deutschland verschickt, -wo Augsburg zum Hauptstapel¬
platz wurde und infolgedessen mächtig emporblühte.
Daß Nürnberg aber gerade an seiner jetzigen Stelle
entstand und bald alle anderen Orte überflügelte, hat noch
seine besondern Gründe. Den ersten Anlaß zur Ansied¬
lung gab wohl ein mächtiger Sandsteinfelsen, der hier wie
eine natürliche Festung aus der sonst ebenen Gegend em¬
porragt. Früh entstand hier eine Burg, die dann spä¬
ter wegen ihrer bedeutsamen Lage zur Reichsfestung er¬
hoben wurde. Bald bildete sich am Fuße des Burgfelsens