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die Jagd abgebrochen werden mußte. Während sich der Regent mit
einem Jagdgaste von seinem Standorte entfernte, stieß er ans den
sechsjährigen Sohn seines Försters Agerer, der in leichtestem Anzug
seinem Vater nachlaufend denselben verfehlt hatte und nun vor Kälte
völlig erstarrt war. Es fand sich keine Hütte und kein Feuer in
der Nähe, wo man den vor Frost zitternden Knaben hätte erwärmen
können. Kurz entschlossen brachten der Regent und sein Jagdgast
den Försterssohn hinter eine etwas gegen den rauhen Wind schützende
Steinwand; dort legten sie sich nieder, nahmen den Erstarrten in ihre
Mitte und brachten ihn, von ihren Wettermänteln bedeckt, durch
ihre eigene Körperwärme zu neuem Leben. Auf solche Weise wurde
der Knabe vor schwerer Erkrankung und dem drohenden Tode be¬
wahrt. Der Kleine, welcher an dem liebevollen Herzen seines
Landesvaters zu neuem Leben erwacht war, studierte nachher und ist
jetzt ein tüchtiger Beamter.
Im Dienste des Regenten stand ein Jagdgehilfe, dessen Be¬
soldung durch Ausgaben für seine Kinder so sehr in Anspruch ge¬
nommen wurde, daß für seine eigenen Bedürfnisse nur wenig übrig
blieb. Sein Anzug war deshalb durch starke Abnützung sehr ab¬
getragen und sein sehnlichster Wunsch war es, doch auch einmal in
so sauberem und hübschem Jagdkostüm wie die übrigen Jäger vor
seinem Landesherrn erscheinen zu können. Er freute sich deshalb
ungemein auf den nächsten Zahltag, an welchem ihm nach seiner
Berechnung soviel übrig bleiben sollte, daß er sich eine stramme
Lederhose und eine neue Joppe anschaffen konnte. Doch als er
seinen Gehalt ausgezahlt erhalten hatte, da traten unerwartet wiederum
unaufschiebbar neue Ausgaben für seine jüngste Tochter ein, sodaß
er abermals auf die Erfüllung seines langgehegten Lieblingswunsches
verzichten mußte. Kaum hatte der Regent durch einen Jagdgast
von dieser Angelegenheit vernommen, als er in seiner Herzensgüte
beschloß den sehnlichen Wunsch des Jägers zu erfüllen. Nach kurzer
Zeit prangte der Jagdgehilfe in einem neuen, schmucken Anzuge,
mit dem der hohe Herr ihn überrascht hatte.
Nach H. Reidelbach.