Full text: [Bd. 1 = 1. Schulj. [Schülerband]] (Bd. 1 = 1. Schulj. [Schülerband])

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lächelte süß wie die Unschuld und schön wie in Verklärung. Es 
trug aber in seinen Händchen ein Krüglein, das war schier übervoll. 
Und das Kind sprach: „O lieb Mütterlein, weine nicht mehr um 
mich! Sieh, in diesem Krüglein sind die Tränen, die du um 
mich vergossen hast; der Engel der Trauer hat sie in dieses Gefäß 
gesammelt. Wenn du nur noch eine Träne um mich weinst, so 
wird das Krüglein überfließen und ich werde dann keine Ruhe 
haben im Grabe und keine Seligkeit im Himmel. Darum, o lieb 
Mütterlein, weine nicht mehr um dein Kind; denn dein Kind ist 
wohl aufgehoben, ist glücklich und Engel sind seine Gespielen." 
Damit verschwand das tote Kind und die Mutter weinte hinfort 
keine Träne mehr, um des Kindes Grabesruhe und Himmelsfrieden 
nicht zu stören. Nach L. B e ch st e i n. 
28. Das Märchen vom Mann im Monde. 
Vor uralten Zeiten ging einmal ein Mann am lieben Sonntags¬ 
morgen in den Wald, hieb sich Holz ab, eine großmächtige Welle, 
band sie, steckte einen Staffelstock hinein, huckte die Welle auf und 
trug sie nach Hause zu. 
Da begegnete ihm unterwegs ein hübscher Mann in Sonntags¬ 
kleidern, der wollte wohl in die Kirche gehen, blieb stehen, redete 
den Wellenträger an und sagte: „Weißt du nicht, daß auf Erden 
Sonntag ist, an welchem Tage der liebe Gott ruhte, als er die 
Welt und alle Tiere und Menschen geschaffen? Weißt du nicht, daß 
geschrieben steht im dritten Gebot: ,Du sollst den Feiertag heiligen?'" 
Der Fragende aber war der liebe Gott selbst; jener Holzhauer jedoch 
war ganz verstockt und antwortete: „Sonntag auf Erden oder Mond¬ 
tag im Himmel, was geht das mich an und was geht es dich an?" 
„So sollst du deine Reisigwelle tragen ewiglich!" sprach der 
liebe Gott, „und weil der Sonntag auf Erden dir so gar unwert ist, 
so sollst du fürder ewigen Mondtag haben, ein Warnungsbild für 
die, welche den Sonntag mit Arbeit schänden!" 
Von der Zeit an steht im Mond immer noch der Mann mit 
den: Holzbündel und wird wohl auch so stehen bleiben bis in alle 
Ewigkeit. Nach L. B e ch st e i n. 
29. Ein Märchen aus der Küche. 
Am Feuer stand der Kaffeetopf und es kochte und sprudelte 
darin ganz lebendig; man hätte meinen sollen, der Topf rede und 
Münchener Lesebuch. I. 7. Auflage. 4
	        
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