Full text: [Teil 4 = 6. und 7. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 4 = 6. und 7. Schuljahr, [Schülerband])

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8. Denn heut, viel hundert Jahre, da du, o Roma, sankst, 
Du aber, jung in Blüten, mein hohes Deutschland prangst: 
Da jauchzt in mir die Seele, wie sie erblickt dies Mal, 
Das euch, ihr Väter, höhnet in eurer Kettenqual. 
9. Ja, eure Blicke leuchten, vom Abendrot erhellt; 
Ihr schaut, so will mich's dünken, in diese junge Welt: 
Ihr grüßet mild den Enkel, den Erben eures Bluts 
Und weihet ihn zum Erben des bluterkämpften Guts. 
Gottfried Kinkel. 
57. Julius Casars Tod. 
Nach Beendigung aller Bürgerkriege stand Julius Cäsar auf der 
Höhe seines Glückes, mit Glanz und Macht bekleidet, wie keiner vor 
ihm. Senat und Volk überhäuften ihn mit Ehrenbezeugungen ohne 
Maß und Ziel, und während man ihn als unumschränkten Herrscher 
anerkannte und fürchtete, beeiferten sich die angesehensten Männer, 
seine Gunst zu gewinnen. Ohne Sorge mehr vor einem äußeren oder 
inneren Feinde, dachte er nur noch daraus, seinen Sieg dauernd zu 
machen und durch Weisheit und Milde zu behaupten, was er durch 
das Glück der Waffen gewonnen hatte. Die Machtfülle, welche ihm 
die immerwährende Diktatur, die Jmperatorwürde, die freie Ver¬ 
fügung über den öffentlichen Schatz und alle die übrigen Würden 
und Rechte, die man ihm übertrug, gewährten, konnte wohl alle 
Wünsche der Herrschsucht befriedigen; dennoch trachtete der immer 
höher strebende Sinn, die höchste Gewalt, die er der That nach be¬ 
saß, noch durch den Schmuck der Königskrone zu verherrlichen und 
zu befestigen. Wohl mochte er auch überzeugt sein, daß die dem 
Staate wiedergegebene Ruhe und neubegründete Ordnung nicht besser 
gesichert würde als durch dauernde Befestigung seiner Macht. 
Roch aber war eine Partei, an deren Spitze die ehrenwertesten 
Männer standen, welche die Wiederherstellung der früheren Verfassung 
der Republik für möglich und dem Staate heilsam hielten. Der 
Glanz, der die Masse blendete, beschämte sie; und in der Fülle der 
Macht, welche nach den gräßlichen Stürmen der Bürgerkriege der Welt 
Frieden und Ruhe zu sichern versprach, — sahen sie nur den Unter¬ 
gang der Freiheit. Fanden sich diese Männer schon in ihrer stillen 
Hoffnung, Cäsar werde nach Beendigung der Kriege die übertragene 
Gewalt von selbst niederlegen, getäuscht, so wurden sie durch das 
wenig verhüllte Streben nach dem Ziel seiner Wünsche nur besorgter
	        
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