Müuller Ruckert Terstegen.
5. Der kleine Friedensbote.
Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe
und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber
ein Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe. Wenn
der Bäcker in seinem Obstgarten an Stelle eines ausgedienten Invaliden
eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine Baumschule und hob
den schönsten Mann aus, den er darin hatte, eine Pflaume oder einen
Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem er auf diesen oder
jenen Posten, auf einen fetten oder mageren Platz gestellt werden sollte.
Zu Ostern, zu Martini und am heiligen Abend kam die Bäckerin,
welche keine Kinder hatte, immer mit einem großen Korbe zu den
Nachbarsleuten hinüber und teilte unter die kleinen Paten aus, was
ihr der Hase oder der gute Märtel oder gar das Christkindlein selbst
unter die schneeweiße Serviette gelegt hatte. Je mehr sich die Kindlein
über die reichen Spenden freuten, desto näher rückten sich die Herzen
der beiden Weiber.
Aber ihre Männer hatten ein jeder einen Hund, der Gerber als
Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker einen
kleinen, schneeweißen Mordax. Beide meinten, die besten und schönsten
Tiere in ihrem Geschlechte zu haben. Da geschah es eines Tages, daß
der Mordax ein Kalbsknöchlein gegen den Feldmann behauptete. Vom
Knurren kam es zum Beißen, und ehe sich der Bäcker von seiner grünen
Bank vor dem Hause erheben konnte, lag sein Hündlein mit zermalmtem
Genick vor ihm, und der Feldmann lief mit dem eroberten Knochen und
mit eingezogenem Schweife davon. Sehr ergrimmt und entrüstet warf
der Herr des Ermordeten dem Raubmörder einen gewaltigen Stein
nach. Aber was halfs? Die Handgranate flog nicht dem Hunde
an den Kopf, sondern dessen Besitzer durch das Fenster. Ohne zu
fragen, woher der Schuß gekommen sei, riß der Gerber den zer—
trümmerten Fensterflügel auf und fing an zu schimpfen. Der Nachbar
mit der weißen Schürze blieb nichts schuldig; Kinder und Leute liefen
zusammen, und — hätten sie ihn nur sehen können! — Satan stand
gewiß in einer Ecke der Gasse und blies mit vollen Backen in das
Feuer. Der Bäcker verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur, um seinen
Nachbar beim Gericht zu belangen. Die Sonne ging über dem Zorn
der beiden Männer unter, und den Tag darauf wurden sie vor Gericht
geladen. Der Gerber wurde verurteilt, den totgebissenen Mordax mit
einem Reichsthaler zu büßen. Der Bäcker mußte für den zertrümmerten
Fensterflügel nicht viel weniger bezahlen und sich mit seinem Widerpart
in die angelaufenen Gerichtskosten teilen.
Von nun an war zwischen den beiden Familien eine große Kluft
befestigt. Hinüber und herüber über die Gasse flog kein freundliches