Full text: (Für das fünfte und sechste Schuljahr) (Band 4, [Schülerband])

Masius. Mügge. 227 
endlich unruhig nach der Zeit, wo der Lichtstreif im Osten hervorbricht. 
Doch ist die Zeit der langen Nacht nicht ganz so, wie wir sie uns 
vorstellen. Die Sonne bleibt freilich acht Wochen unter dem Horizont 
und vier Wochen lang, von Mitte Dezember bis Mitte Januar, ist 
tiefe Finsternis, so daß beständig Licht gebrannt werden muß. Indes 
ist diese doch nicht so schwarz, daß nicht bei hellem Wetter zur Zeit 
der Mittagsstunde eine Art Dämmerung einträte, bei der man am 
Fenster auf eine halbe Stunde oder eine Stunde lesen könnte. Die 
Sterne stehen dabei glänzend hell am Himmel; Nordlichte jedoch sind 
auch hier seltener als mehr südlich. Ist aber trübes Wetter, so herrscht 
die finsterste, ununterbrochenste Nacht. Mitte Januar wird die Däm— 
merung lichter, und ist der Tag erst einmal angebrochen, so wächst er 
auch rasch. Nun gleicht die Natur den Unterschied aus, und im Juni 
und Juli beschreibt die Sonne Kreise um den Himmel, ohne jemals sich 
vom Horizont zu entfernen. Der ganze Unterschied zwischen Mittag 
und Mitternacht ist dann, daß die Strahlen etwas bleicher und matter 
werden, ohne die belebende Wärme zu verlieren. Es ist sehr eigen— 
tümlich, daß, solange diese tageshelle und sonnenvolle Nacht dauert, der 
Wind ganz schweigt und eine durch nichts gestörte Ruhe in der Natur 
herrscht, als wolle diese gleichsam dadurch die Zeit des Schlafes an— 
deuten. Mit dem Morgen erhebt sich der Wind wieder; die Wetter 
werden losgelassen von den Nebelgeistern und allabendlich eingefangen; 
die Sonne der Nacht scheint aber oft so heiß, daß sie lästig werden 
kann. Dieser anhaltende Tag und Sonnenschein macht es auch wohl 
allein möglich, daß noch Ernten gedeihen. 
Wie seltsam ist aber der Mensch! Es wohnen hier reiche Handels— 
herren, die ihr ganzes Leben unter diesem fürchterlichen Klima zu— 
bringen. Manche von ihnen könnten, wenn sie wollten, im schönen 
Süden leben, allein sie bleiben in dieser Wüste und sterben darin. 
Wer hierher kommt, thut es natürlich des Gewinnes wegen; wer 
möchte wohl sonst hier wohnen? Ist man aber ansässig, so kommt man 
nicht wieder fort; denn wer kauft einem ab, was man besitzt? Menschen, 
die Vermögen besitzen, wandern nicht nach Hammerfest, es sind nur 
solche, die es sich erwerben wollen. Wer hier geboren ist, der liebt 
diese Einöden ebenso sehnsüchtig wie der Lappe seine Renntieralpen 
oder der Grönländer seine Eisbuchten. Theodor Wuͤhue. 
173. Auf einer Eisscholle im Nördlichen Eismeer. 
1. Am 15. Juni 1869 hatten die beiden für die „zweite deutsche 
Nordpolarexpedition“ bestimmten Schiffe, der Dampfer Germania und 
das Segelschiff Hansa, in Gegenwart Sr. Majestät des Königs Wilhelm 
von Preußen Bremerhaven verlassen. Nachdem beide Fahrzeuge schon 
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