Full text: Klasse 5 (sechstes Schuljahr) (Teil 5, [Schülerband])

Zotteln, seine Arme zu Beinen, er war in einen blutdürstigen Wolf 
verwandelt. 
Zeus kehrte in den Olymp zurück, hielt mit den Göttern Rat und 
gedachte, das ruchlose Menschengeschlecht zu vertilgen. Schon wollte er 
auf alle Länder die Blitze verstreuen; aber die Furcht, der Äther möchte 
in Flammen geraten und die Achse des Weltalls Verladern, hielt ihn ab. 
Er legte die Donnerkeile, die ihm die Zyklopen geschmiedet hatten, wieder 
beiseite und beschloß, über die ganze Erde Platzregen vom Himmel zu 
senden und so unter Wolkengüssen die Sterblichen aufzureiben. Auf 
der Stelle ward der Nordwind samt allen andern die Wolken ver¬ 
scheuchenden Winden in die Höhlen des Äölus verschlossen und nur der 
Südwind von ihm ausgesendet. Dieser flog mit triefenden Schwingen 
zur Erde hinab, sein entsetzliches Antlitz bedeckte pechschwarzes Dunkel, 
sein Bart war schwer vom Gewölk, von seinem weißen Haupthaare rann 
die Flut, Nebel lagerten auf der Stirn, aus dem Busen troff ihm das 
Wasser. Der Südwind griff an den Himmel, faßte mit der Hand die 
weit umherhangenden Wolken und sing an, sie auszupressen. Der Donner 
rollte, gedrängte Regenslut stürzte vom Himmel; die Saat beugte sich 
unter dem wogenden Sturm, danieder lag die Hoffnung des Landmanns, 
verdorben war die langwierige Arbeit des ganzen Jahres. Auch Po¬ 
seidon, Zeus' Bruder, kam ihm bei dem Zerstörungswerke zu Hilfe, 
berief alle Flüsse zusammen und sprach: „Laßt euren Strömungen alle 
Zügel schießen, fallt in die Häuser, durchbrechet die Dämme!" Sie voll¬ 
führten seinen Befehl, und Poseidon selbst durchstach mit seinem Dreizack 
das Erdreich und schaffte durch Erschütterung den Fluten Eingang. So 
strömten die Flüsse über die offene Flur hin, bedeckten die Felder, rissen 
Baumpslanzungen, Tempel und Häuser fort. Blieb auch ein Palast 
stehen, so deckte doch bald das Wasser seinen Giebel, und die höchsten 
Türme verbargen sich im Strudel. Meer und Erde waren bald nicht 
mehr unterschieden; alles war See, gestadeloser See. Die Menschen 
suchten sich zu retten, so gut sie konnten; der eine erkletterte den höchsten 
Berg, der andere bestieg einen Kahn und ruderte nun über das Dach 
seines versunkenen Landhauses oder über die Hügel seiner Weinpslan- 
zungen hin, daß der Kiel an ihnen streifte. In den Ästen der Wälder 
arbeiteten sich die Fische ab; den Eber, den eilenden, erjagte die Flut: 
ganze Völker wurden vom Wasser hinweggerafft, und was die Welle 
verschonte, starb den Hungertod aus den unbebauten Heidegipseln.
	        
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