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spielen? jene lustigen Flügel, die im Frühling unsere Seele so freudig
mit in den Himmel hoben und die im Herbst so matt herabfallen und
auch uns zurufen: Hinab! hinab!? Ein welkes Blatt, langsam und
lautlos niedersinkend zu tausend lautlos dahingesunkenen Blättern, vom
mitleidigen Strahl leise und doch vergebens umspielt — o, wie rührt
dieser Anblick immer von neuem das Gemüt! Im Nadelwald tritt er
uns nicht entgegen, und wie wir da das Sterben der Natur nicht sehen,
so sehen wir da auch nicht ihre verjüngte Lenzgestalt. Es scheint, als
sei die Nadel ohne Empfindung des Lichtes und des Lebens. Der
Frühling, der Winter geht an ihr vorüber, und wenn sie nach Jahren,
ja nach einem Jahrzehnt vom Baume bricht, sprangen längst unzählige
andere hervor.
Ebenso dürftigeinfach wie der Blattwuchs ist auch die Zweig- und
Stammbildung und selbst die Umgebung der Bäume. Hier (im Schwarz¬
wald) darf man nicht die wechselvollen Gestalten und Trachten des
Laubholzes suchen. Einförmig steigt die gerade Linie der Stämme empor,
in regelmäßigem Winkel ein Stockwerk von Zweigen auf das andere
setzend. Der ganze Umriß des Waldes ist scharf, wandartig starr und
dicht, die lockern Linien der Laubbäume fehlen durchaus. Kein duftiges
Geißblatt, kein flatternder Hopfen schlingt seine Windungen um den
ehrwürdigen Trotz alterzerrissener Stämme; keinen lustigen Busch, keinen
blühenden Dorn dulden die düsterschatlenden Gänge; spärlich unterbrechen
Blumen den Moosteppich, und auch das Lied der Vögel klingt einsam
durch die Stille. Nur das weichere Abendlicht scheint zu diesen Bäumen
zu stimmen; das taufrische, heiterkräftige Bild eines Morgens im Walde
gibt ein Tannicht verhältnismäßig am wenigsten.
Aber was dem Nadelwalde in dieser Weise abgeht, ersetzt sich in
anderer, und niemand wird den dunkeln Forsten des Harzes oder des
Erzgebirges eigenartige Schönheit absprechen wollen. Schon, daß sie
allein fortgrünen mitten in der weißen Nacht des Winters, ist ein
Vorzug, der viele Mängel aufwiegt und diese Wälder dem Menschen
gleichsam näher ans Herz pflanzt. Am wenigsten schön ist der Kiefer-
wald. Über sandige Ebenen hinziehend, mit einer trübstaubigen, schwülen
Atmosphäre erfüllt, ermüdet sein ödes Einerlei, das noch entschieden
an die Unwirtlichkeit der Heiden erinnert. Die eintönige Linie des
Bodens läßt die Eintönigkeit der Pflanzenform in ihrer ganzen Armut
hervortreten. Nur am Rande, wenn Wind und Sturm die Flanken des
Waldes fassen, heben sich aus der Masse einzelne malerische und oft