die an Rechtschaffenheit und Eötterscheu diese beiden übertroffen hätten.
Als nun Zeus, vom Himmel herabschauend, die Erde von stehenden
Sümpfen überschwemmt und von den vielen tausendmal Tausenden
nur ein einziges Menschenpaar übrig sah, beide unsträflich, beide an¬
dächtige Verehrer der Gottheit, da sandte er den Nordwind aus, sprengte
die schwarzen Wolken und hieß ihn die Nebel entführen; er zeigte dem
Himmel die Erde und der Erde den Himmel wieder. Auch Poseidon,
der Meeresfürst, legte den Dreizack nieder und besänftigte die Flut. Das
Meer erhielt wieder Ufer, die Flüsse kehrten in ihr Bett zurück; Wälder
streckten ihre mit Schlamm bedeckten Baumwipfel aus der Tiefe hervor,
Hügel folgten, endlich breitete sich auch wieder ebenes Land aus, und
zuletzt war die Erde wieder da.
Deukalion blickte um sich. Das Land war verwüstet und in Grabes¬
stille versenkt. Tränen rollten bei diesem Anblick über seine Wangen,
und er sprach zu seinem Weibe Pyrrha: „Geliebte, einzige Lebens¬
genossin! So weit ich in die Länder schaue, nach allen Weltgegenden
hin, kann ich keine lebende Seele entdecken. Wir zwei bilden miteinander
das Volk der Erde, alle andern sind in der Wasserflut untergegangen.
Aber auch wir sind unsers Lebens noch nicht mit Gewißheit sicher.
Jede Wolke, die ich sehe, erschreckt meine Seele noch. Und wenn auch
alle Gefahr vorüber ist, was fangen wir Einsamen aus der verlassenen
Erde an? Ach, daß mich mein Vater Prometheus die Kunst gelehrt hätte,
Menschen zu erschaffen und geformtem Tone Geist einzugießen!" So
sprach er, und das verlassene Paar fing an zu weinen; dann warfen sie
sich vor einem halbzerstörten Altar der Göttin Themis auf die Knie
nieder und begannen zu der Himmlischen zu flehn: „Sag uns an, o
Göttin, durch welche Kunst stellen wir unser untergegangenes Geschlecht
wieder her? O, hilf der versunkenen Welt wieder zum Leben!"
„Verlasset meinen Altar," tönte die Stimme der Göttin, „umschleiert
euer Haupt, löset eure gegürteten Glieder, und werfet die Gebeine
eurer Mutter hinter den Rücken!"
Lange verwunderten sich beide über diesen rätselhaften Eötterspruch.
Pyrrha brach zuerst das Schweigen. „Verzeih mir, hohe Göttin,"
sprach sie, „wenn ich zusammenschaudre, wenn ich dir nicht gehorsame
und meiner Mutter Schatten nicht durch Zerstreuung ihrer Gebeine
kränken will!" Aber dem Deukalion fuhr es durch den Geist wie ein
Lichtstrahl. Er beruhigte seine Gattin mit dem freundlichen Wort:
„Entweder trügt mich mein Scharfsinn, oder die Worte der Göttin sind