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Stil. Der niedere Stil ist schlicht und 
einfach und verzichtet auf reichen Rede— 
schmuck; er ist an der Stelle, wo es 
sich um Belehrung und Mitteilung, nicht 
um eine lebhafte Einwirkung äuf die 
Phantasie und das Gemüt handelt. Ist 
letzteres die Absicht des Schreibenden, 
so tritt der mittlere Stil ein, wo die 
Sprache bilderreicher und wärmer, die 
Darstellung anschaulich und eindringlich 
wird. Ist schließlich der Darstellende selbst 
mächtig von dem Gegenstande ergriffen, 
so erhebt er sich zu dem erhabenen Stil; 
er greift zu kraftvolleren Redefiguren, 
zu kühneren Bildern, läßt in seiner ganzen 
Darstellung die Größe und Würde des 
Gegenstandes und den lebhaften Eindruck, 
den er selbst davon empfindet, wider— 
spiegeln. Man unterscheidet ferner den 
poetischen und den prosaischen Stil, spricht 
von einem Geschäftsstil und von einem 
Stil der erzählenden und der belehrenden 
Prosa u. dgl. Von einem besonderen 
Briefstil kann man nur insofern reden, 
als Unterschiede in der Form der Brief— 
sprache durch die Person bedingt sind, 
an die der Brief gerichtet wird. 
2. Die Eigenschaften einer guten sprach— 
lichen Darstellung sind dreifacher Art: 
1. grammatische, die sich auf die sprach— 
liche Richtigkeit beziehen, 2. logische, die 
sich auf die Klarheit der Gedanken und des 
Gedankenausdrucks, und 3. ästhetische, 
die sich auf die Schönheit der Darstellung 
beziehen. 
a. Grammatische Eigenschaften einer 
guten sprachlichen Darstellung. 
Die grammatischen Eigenschaften einer 
guten sprachlichen Darstellung sind Sprach— 
richtigkeit und Sprachreinheit. 
a. Sprachrichtig (korrekt) ist die Dar— 
stellung, wenn sie die allgemein gültigen 
Gesetze der Grammatik rücksichtlich der 
Bildung, Veränderung und Verbindung 
der Wörter befolgt. 
b. Rein ist die Darstellung, wenn sie 
Wörter und Verbindungen vermeidet, die 
der Sprache fremd sind. 
Anmerkung; Verstöße gegen die Sprach— 
richtigkeit sind a. solche Fremdwörter, 
für die es im Deutschen an einem ent— 
sprechenden Ausdrucke nicht fehlt); 
Man ist bequem, zu suchen jedesmal 
Das deutsche Wort, das dem genau 
entspricht, 
Was man zu sagen wirklich willens ist. 
Ein fremdes Wort ist uns geläufiger, 
) — 
b. Ausdrücke, die nur in bestimmten 
Gegenden des Landes gebräuchlich sind; 
c. veraltete Ausdrücke; d, dem Sprach 
gebrauch zuwiderlaufende Neubildungen 
von Wörtern. 
b. Logische Eigenschaften einer guten 
sprachlichen Darstellung. 
Die logischen Eigenschaften einer guten 
sprachlichen Darstellung sind Klarheit, 
Bestimmtheit, Kürze und Einheit. 
a. Klar ist die Darstellung, wenn ihr 
ein vollständiger Gedanke zugrunde liegt 
und dieser Gedanke durch die Worte ver— 
—EI ——ss 
Anmerkung 1. Nur was klar gedacht ist, 
kann klar geschrieben werden. 
Anmerkung 2. Verstöße gegen die Klar— 
heit sind Dunkelheit und Unsinn. 
Dunkelheit entsteht namentlich durch den 
Gebrauch nicht üblicher Ausdrücke, durch 
falsche Satzzeichen, durch übertriebene 
Kürze oder Weitschweifigkeit (Anhäufung 
von Nebensätzen) und durch Zweideutig— 
keit. Unsinn entsteht, wenn man über 
Dinge schreibt, von denen man nichts 
versteht, Ausdrücke anwendet, deren 
Gebrauch man nicht kennt, Begriffe mit— 
einander verknüpft, die ihrem Wesen nach 
unvereinbar sind, ferner durch falsche 
Beziehung oder Wortstellung. 
b. Bestimmt ist die Darstellung, wenn 
für den zu bezeichnenden Gedanken immer 
der bezeichnendste Ausdruck gewählt wird, 
so daß der Leser sich gerade das dabei 
denken muß, was der Schreibende hat 
sagen wollen. 
Anmerkung. Man verstößt gegen die 
Bestimmtheit, wenn die Bedeutung eines 
Wortes zu allgemein ist, wenn man 
sinnverwandte Wörter miteinander ver— 
wechselt oder unnötige Umschreibungen 
macht. 
c. Kürze zeigt die Darstellung, wenn sie 
alles Überflüssige im Ausdruck meidet. 
Anmerkung 1. Der höchste Grad der 
Kürze ist Gedrängtheit. Verstöße 
gegen die gebotene Kürze in der Dar— 
stellung begeht man durch breite Aus— 
dehnung eines Gedankens, der in kürzerer 
Form hätte gegeben werden können, durch 
unnötige Abschweifung von dem eigent— 
lichen Gegenstande der Darstellung, durch 
Und wir gebrauchen's, weil's bedeuten 
kann 
Bald dies, bald das und so denn hier 
auch paßt. 
Hoffmann v. Fallersleben.
	        
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