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Ring im Schnabel hält. Den Grund zu diesen Bildern soll fol¬
gende Begebenheit gegeben haben.
In den Jahren 1466 bis 1514 war Thilo von Trotha Bischof
von Merseburg. Dies war ein strenger, jähzorniger Mann, der
sich zu seinem Vergnügen einen Raben hielt, welcher ihm durch
sein lustiges Gebühren und Schwatzen viel Spaß machte. Einst
war dem Bischof ein kostbarer Ring weggekommen, den er von
seinem Busenfreunde, dem Bischof Gerhard von Meißen, zum
Geschenk erhalten hatte. Nun hatte der Bischof einen alten,
wegen seiner Rechtschaffenheit allgemein geachteten Kammer¬
diener und einen etwas jüngeren Leibjäger. Letzterer trug aber
schweren Groll gegen ersteren im Herzen, weil er glaubte, daß
jener ihm hinderlich sei, wie er es wünsche, in der Gunst seines
Herrn zu steigen. Derselbe hatte den Raben, verschiedene Worte
gelehrt, unter andern auch den Spruch: „Hans Dieb!“ Als nun
der Bischof, nachdem er den Diebstahl erfahren, außer sich vor
Zorn alle seine Leute streng befragte, um den Dieb herauszu¬
bekommen, da schrie der Rabe auf einmal: „Hans Dieb! Hans
Dieb!“ Unglücklicherweise hieß der alte Kammerdiener Johannes,
und der Bischof hielt den Spruch des Vogels gerade in diesem
Augenblicke für ein Gottesurtheil; trotz alles Leugnens und Be-
theuerns seiner Unschuld wurde der Greis ergriffen, ins Gefäng¬
nis geworfen, vor das bischöfliche Gericht gestellt und lediglich
auf den durch das Vogelgeschrei erregten Verdacht hin verur-
theilt und hingerichtet. Einige Zeit nachher trug es sich zu,
daß bei einem heftigen Sturme das Nest des Raben vom Turme
herabstürzte; darin fand sich mancherlei güldenes und silbernes
Kleinod und auch des Bischofs Ring, um den der fromme Kam¬
merdiener unschuldig hingerichtet worden war. Das traf des
Bischofs hartes Herz wie ein Blitzstrahl, und es ergriff ihn eine
bittere Reue wegen seines Jähzorns, der ihn zu dem ungerech¬
ten Urtheil veranlaßt hatte. Er legte sein bisheriges Familien¬
wappen ab und nahm ein neues an, d. h. er setzte in das Schild
einen Raben, der einen Ring im Schnabel trug, und oben aus
der Krone hoben sich zwei Arme und Hände, deren Finger einen
Ring faßten. Dieses Wappen ließ der Bischof überall anbringen,
damit es ihn stets an seine Unthat erinnern möge und zu steter
Buße mahne, innen und außen am bischöflichen Palast, im
Dome, an den Mauern, in den Zimmern, auf den Gängen, auch
an vielen Häusern der Stadt. Dasselbe Wappen und über dem¬
selben das Bild des hingerichteten Kammerdieners mit aufgehobenen
Händen ohne Kopf erblickt man auch an seinem messingenen Grab¬
denkmale, welches im Dome zu Merseburg errichtet worden ist.