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des gesamten Volkes gehoben werden. Eine Anzahl tüchtiger junger Leute
wurden nach der Schweiz zu dem berühmten Volkserzieher und Musterlehrer
Pestalozzi geschickt, damit sie dessen Lehrverfahren kennen lernen und in der
Heimat anwenden sollten. Um neben derGeistesbildnng auch denKörperabzuhärtew
und zu kräftigen, errichtete Ludwig Iahn, Lehrer am Berlinischen Gymnasium,
zum Grauen Kloster, den ersten Turnplatz in der Hasenheide (Denkmal!) und
unternahm weite Turnsahrten mit den Schülern. Nicht selten wies er mit
Entrüstung ans die Schmach des Vaterlandes hin und suchte seine Zöglinge-
zum Kampfe gegen den Erbfeind zu entflammen. — An der nencrrichtetew
Universität zu Berlin (1810) wirkten berühmte Professoren, wie Savigny,
Hufeland, vor allem aber Johann Gottlieb Fichte und Schleier¬
macher für sittliche und geistige Hebung der studierenden Jugend und der
höheren Stände. Durch Schriften und Gedichte suchten auch Ernst Moritz
Arndt, Heinrich von Kleist, Friedrich Rückert, besonders aber
Friedrich Schiller in seinem Schauspiel „Wilhelm Tell" das Volk für
Vaterlandsliebe und Vaterlandsbefreiung zu begeistern. Ihnen gesellten sich,
Theodor Körner und Max von Schenkcndorf hinzu.
6. Napoleon auf der Höhe seiner Macht. Napoleon hatte nach der
Niederwerfung Österreichs (1805 und 1809) und Preußens (1806—07) fast
alle europäischen Staaten besiegt, zum Teil unterworfen. Außer Frankreich
gehorchten ihm die Niederlande, die deutschen Staaten am linken Rheinufer
und an der Nordsee bis zur Elbe, ferner Ober- und Mittelitalien mit den
Küstenländern am Adriatischen Meere. Als obersten Schutzherrn erkannten
ihn ferner der Rheinbund, die Schweiz, Neapel, Polen und Dänemark mit
Norwegen an, und Schweden hatte den französischen Marschall Bernadotte zum
Kronprinzen gewühlt. An Umfang war Napoleons Machtgcbiet dem Reich
Karls des Großen gleich. Fürstentümer und Königreiche verschwanden und
entstanden auf sein Gebot, und die höchsten Titel und Ehren verschenkte er an
seine Günstlinge. Könige und Fürsten schätzten es sich zur höchsten Ehre, zu
seinem Gefolge zu gehören, und auf dem Fürstentage zu Erfurt huldigten ihm
4 Könige und 34 Fürsten und Prinzen aus Deutschland allein als ihrem
Oberherrn. Der Papst (Pius VII.) war sein Gefangener. Von seiner ersten
Gemahlin trennte er sich und vermählte sich mit Marie Luise, der Tochter
Kaiser Franz I. Um an die Macht des römischen Weltreichs zu erinnern,
verlieh er seinem (1811 geborenen) Sohne den prnnkhaften Titel „König von
Rom". Nur Englands Überlegenheit zur See vermochte Napoleon nicht zu
brechen; so suchte er durch Verhängung der sogen. Kontinentalsperre dessen
Handel zu vernichten, schädigte aber dadurch alle anderen europäischen Staaten
aus das empfiudlichste.
7. Napoleons Zug nach Rußland (1812). a) Veranlassung: Rußland-
weigerte sich, auf Napoleons Anordnung die seinen Handel schädigende Konti¬
nentalsperre streng durchzuführen. Ferner fürchtete Rußland die Wieder¬
herstellung des Königreichs Polen, da Napoleon das 1807 errichtete Herzog¬
tum Warschau wiederholt vergrößerte. Endlich fühlte sich Kaiser Alexander