35. Das Riesenspielzeus 
Adelbert v. Chamisso. 
I. Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt, 
Die Hõhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand; 
Sie selbst ist nun verfallen, die Stãätte wüst und leer; 
Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr 
2 Einst kam das Riesenfräulein aus jener Burg hervon, 
Erging sich sonder VWartung und spielend vor dem Tor 
Und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein, 
Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein. 
3Mit wen'gen rasschen Senitten dureh ente ie den Wald, 
Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald, 
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld 
Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt. 
1WVie jetzt zu ihren Füßen sie spahend mederschaut, 
Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut; 
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar, 
Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar 
,Ei, artig Spieldingl!“ ruft sie, „das nehm' ich mit nach Haus!“ 
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus 
Und feget mit den Händen, was da sich alles regt, 
Zuhaufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlãgt. 
vVUnc eilt mit freud'gen Sprũungen man weib, e Kinder sind 
Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind: 
„Ei, Vater, lieber Vater, ein Spielding e he h 
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Hõh'n.“ 
7 Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein, 
Er schaut sie an behaglich, er fragt das Tõchterlein: 
„WNas Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei? 
Du hũpfest ja vor hreuden; laß sehen, was es sei!“ 
Sie spreitet aus das Tũchlein und fangt behutsam an, 
Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann; 
Vie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut, 
So klatscht sie in die Hande und springt und jubelt laut 
2*