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Erzählungen.
und Verlust hingen. ' Der Ordensbruder wartete deshalb ein Weilchen,
und da der vierte ihm doch wenigstens eine Antwort gegeben hatte, ver¬
suchte er bei diesem sein Glück von neuem. Als soeben das Spiel be¬
endigt war, klapperte er wieder mit der Büchse und bat im Namen
seiner Kranken und Hilfsbedürftigen um eine Gabe. Der vierte aber,
verdrießlich über sein soeben verlorenes Spiel, wendete sich herum und
gab dem Sammler mit den Worten: „Da hast du etwas, du Unver¬
schämter!" eine sehr derbe Ohrfeige.
Was tat nun wohl der Ordensbruder? Regte sich bei ihni nicht
in ganzer Kraft der Geist des Offiziersstandes, dem er sonst, im ge¬
wöhnlichen Leben angehörte und dessen äußerliche Züge jetzt, vielleicht
nur auf etliche Stunden, durch das Gewand des Ordens und durch die
Maske des Bartes verhüllt waren? Wie? — durfte er eine solche
niederträchtige rohe Behandlung ungeahndet lassen; war nicht die Ehre
seines Standes auf eine Weise gekränkt, welche blutige Rache erforderte?
Wirklich schien es auf einige Augenblicke, als ob in dem hart Be¬
leidigten dergleichen Gedanken aufstiegen; seine Stirn, von der Röte des
Zornes übergössen, umwölkte sich; sein Arm zuckte. Aber der Mann
war au militärischen Gehorsam gewöhnt; in jenen Augenblicken der na¬
türlichen Aufwallung vernahm er das Kommandowort eines Herrn in
seinem Herzen, vor dessen Augen nur die Ehre, die vor Gott gilt, ge¬
achtet ist, die Ehre aber vor Menschen als ein Nichts erscheint. Er
gehorcht dem Kommando; er faßt sich; hoch emporgerichtet steht er vor
seinem Beleidiger da, und mit einem Ton der Stimme, welcher auch dem
rohesten Herzen eine unwillkürliche Achtung gebietet, spricht er: „Das
war für mich; — jetzt aber, mein Herr, geben Sie mir auch etwas für
meine hungernden Armen und Kranken, die noch heute mit Nahrung
und Erquickungen versorgt werden müssen!"
Einer solchen Macht des hohen Selbstbewußtseins und guten Ge¬
wissens gegenüber wird es dem rohen Beleidiger ganz sonderbar zu
Mute; er wirft die Karten hin, springt von seinem Stuhle auf, umarmt
den Almosensammler — und gibt — denn die Lust am Spiele war
ihm vergangen — all das Geld, das er eben bei sich führte, zur Lin¬
derung der fremden Not hin. Auch die anderen Gäste, am Spieltische
wie im Zimmer, großenteils reiche und vornehme Müßiggänger, reichten
den: hochherzigen Empfänger der Ohrfeige ungewöhnlich ansehnliche
Gaben für seine Kranken dar. Er selber aber, der Almosensammler,
dankte herzlich und ging seines Weges mit einer Träne im Auge, welche
ihm nicht der Unmut oder der Schmerz über die erduldete Mißhand¬
lung, sondern die Freude über den Sieg jener Liebe ausgepreßt hatte,
die dem Menschen schon das Sein der Erde zu einem Vorhofe des
Himmels macht.