270
Hell und warm ist nun die Nacht!
Länger wird der Tag,
daß er all der Schönheit Pracht
in sich fassen mag!
Frühling ist noch nicht gegangen,
Sommer hat schon angefangen,
beide hold vereinigt prangen,
Herbst und Winter sind noch weit:
(D du schöne Nosenzeit!
148.
von perlen baut sich eine Brücke
hoch über einen grauen Lee,'
sie baut sich auf im Augenblicke,
und schwindelnd steigt sie in die Höh.
Ja, in Bosen steht die Welt,
aber ahnungsbang
rauschet durch das Ahrenfeld
schon ein fremder Klang:
Bald ertönt der Erntereigen,
und die Bose wird sich neigen,
und die Vögel werden schweigen!
Ach, wie bald — dann liegst du weit:
(D du schöne Nosenzeit!
Heinrich Seidel.
Rätsel.
i.
Der höchsten Schiffe höchste Masten
ziehn unter ihrem Bogen hin,'
sie selber trug noch keine Lasten
und scheint, wie du ihr nahst, zu sliehn.
Sic wird erst mit dem Strom und schwindet,
sowie des Wassers Flut versiegt.
So sprich, wo sich die Brücke findet
und wer sie künstlich hat gefügt.
2.
Ls steht ein groß, geräumig Haus es steckt sich selbst die Lampe an,
auf unsichtbaren Säulen,' die es mit Pracht durchschimmert,'
es mißt's und geht's kein Wandrer aus, es hat ein Dach kristallenrein
und keiner darf drin weilen. von einem einz'gen Edelstein —
Nach einem unbegriffnen Plan Doch noch kein Buge schaute
ist es mit Kunst gezimmert,' den Meister, der es baute.
Friedrich v. Schiller.
149. 5onne und wind.
Linst stritten sich Sonne und Wind, wer von ihnen beiden der stärkere
sei. Man ward einig, derjenige sollte dafür gelten, der einen Wanderer,
den sie eben vor sich sahen, am ersten nötigen würde, seinen Mantel ab¬
zulegen.
Sogleich fing der Wind zu stürmen an. Negen- und Hagelschauer
unterstützten ihn. Der arme Wanderer wehklagte,' aber er wickelte sich
immer fester und fester in seinen Mantel ein und setzte seinen Weg fort,
so gut er konnte. Jetzt kam die Neihe an die Sonne. Senkrecht und
kräftig ließ sie ihre Strahlen herabfallen. Himmel und Erde wurden