Full text: [Sexta, [Schülerband]] (Sexta, [Schülerband])

Tanze durcheinander hüpfend, zur Erde herab. Da sagten die Menschen: 
„Es schneit!" 
6. 
Unser kleiner, nun zu Schnee gefrorener Held war aber auf 
einem Acker niedergefallen und Tausende seiner Brüder mit ihm. Gleich 
s einer warmen Winterdecke aus weichen, weißen Eiderdaunen* legten sie 
sich über das Feld hin und schützten die im Schoße der Erde keimenden 
Körner und Würzelchen vor dem strengen Winterfroste. Sie selber 
fühlten weder die erstarrende Winterkälte noch den rauhen Nord¬ 
wind, der über die weiße Schneefläche dahinsauste; sie sahen und hörten 
10 nichts, denn sie schliefen den langen Winterschlaf. Die Sonne war weit, 
weit von ihnen fortgereist, blickte aber doch aus fernem Lande oft gütig 
auf die eingeschlafenen kleinen Tröpfe nieder; und diese glänzten dann 
schön wie funkelnde Edelsteine und strahlten, als wären sie selber 
leuchtende Sonnen und blinkende Sternlein geworden. 
15 Wohl ein halbes Jahr lang mochten sie so ihren Schlaf der Er¬ 
starrung geschlummert haben; da stieg die liebe Sonne wieder höher am 
Himmel auf. Sie kam immer näher heran und ließ durch warme Früh¬ 
lingslüfte ihre Ankunft dem ganzen Heere der Wassertropfen melden, 
die alle in weißer Uniform* unbeweglich auf dem Felde in Reih' und 
so Glied lagerten. „Stehet auf, ihr Schläfer, und rüstet euch zum 
Marsche!" — so erscholl der laute Weckruf, und diese Stimme wurde 
von allen gehört. 
Munter regten und hurtig bewegten sich alle. Sie warfen das Schnee- 
kleid ab, um schneller marschieren zu können, und nun konnte man wieder 
25 die fließenden nackten Wassertröpflein schauen. Eine Abteilung von ihnen 
senkte sich in die Erde hinab, um den keimenden Körnlein einen Labe¬ 
trunk zu bringen: denn diese hatten lange gedurstet, und wie sie tranken, 
wurden sie zusehends größer und stärker und streckten die grünen Köpfchen 
aus der Erde hervor. Eine zweite Abteilung stieg gerade zum Himmel 
30 an, setzte sich in die großen Wolkenschiffe und segelte mit diesen nach 
Süden in die heißen Länder, die sehnlichst nach Regen verlangten. 
Aber unser kleiner Held stellte sich an die Spitze der dritten Truppe, 
die jetzt von dem Acker weg zur Talrinne hinabzog und sich hier in 
langen Zügen und in geschlossenen Gliedern talabwärts bewegte. 
35 Diese kriegslustigen Tropfen hatten sich zu einem mutig dahinbrausenden, 
wildschäumenden Gießbache vereint und sangen freudig: „Frisch vorwärts 
zum Meer, frisch vorwärts zum Meerl" Da schallte ihnen noch viel 
lauter, als sie selber sangen, die Antwort von tausendmal tausend
	        
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