Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

Natur bilder. 
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Wie listig belauert sie im Garten den armen Vogel, den kleinen, 
vorwitzigen Graurock von Staren, der zum ersten Male sich aus dem 
Nestchen gewagt und stürzend unter ihren Krallen sein Leben läßt! 
Von Lucke zu Lucke kriecht die Katze, spaziert von Dach zu Dach. Sie 
hat nichts Arges im Sinn, will sich sonnen, aus stiller Höhe die Welt 
beschauen; oder sollte sie’s doch auf ein Schwälbchen abgesehen haben? 
Die klugen Vögel kennen ihres Herzens Tücke. Aber sie wissen sich 
sicher im luftigen Reich. Scharenweise, in wildem Wettflug, kreischend 
und schreiend schießen, stoßen sie auf das kauernde Tier, jetzt von 
dieser Seite, jetzt von jener, klatschen ihr mit den langen, pfeilgeschwind 
vorübersausenden Schwingen um Backen und Ohr, wie sie sich auch 
schüttele, bis sie, der üblen Posse satt, verstimmt das Weite sucht. 
Ein andermal wird es ihr besser glücken. 
Und habt ihr sie nie auf der Mäusejagd gesehen? auf den alten 
Böden, wo die verstaubten Truhen und Laden stehen ? Durch das däm¬ 
mernde Dunkel schlüpft ein Sonnenstrahl, als wollte er den ehrwürdigen 
Plunder aus dem Schlafe wecken, aber alles bleibt still. Leise hat die 
Katze sich herbeigeschlichen, vor einer Ritze lauert sie geduckt, sie hat 
da drinnen das Stimmchen der Maus gehört. Unverwandt, mit gierig 
funkelndem Blicke stiert sie auf das Mäusepförtchen. Da lugt die Kleine 
heraus mit den scheuen, schwarzen Augen; jetzt hüpft sie hervor, aber 
ehe sie noch die Feindin gewahrt, im Nu hat diese sie schon ergriffen. 
Jedermann kennt das marternde Spiel, welches die Katze mit der Ge¬ 
fangenen beginnt. Statt sie mit scharfen Krallen zu packen und zu 
würgen drückt sie dieselbe nur nieder, rollt sie wie einen Teig, schüttelt 
sie, läßt sie wohl einen Augenblick los; doch kaum wagt das Tierchen, 
das wie ein Häuflein Angst am Boden liegt, zu fliehen, so sitzt die 
Katze ihm wieder im Nacken um von neuem ihren Mut zu kühlen. So 
steht auch hier neben der List die Grausamkeit. 
Hermann Masius, Naturstudien, 10. Ausl. Leipzig 1900, S. 232 f. 
111. Weshalb nennen wir den Löwen mit Recht den König der Tiere ? 
Obgleich der Löwe sich weder an Größe noch an Stärke mit man¬ 
chem andern Säugetiere messen kann, so ist er doch seit uralten Zeiten 
als König der Tiere gefeiert worden. Wenn rohe Kraft und große Ge¬ 
stalt schon ein königliches Ansehen verleihen könnten, so würde der 
Elefant den ersten Rang unter den Landtieren einnehmen müssen. 
Aber trotz seiner Größe kann er schon seines plumpen Baues wegen 
keinen Anspruch auf königliche Würde erheben. Die dunkle, formlose 
Masse seines Leibes hebt sich wie der Buckel eines Berges auf den 
säulenartigen Füßen empor; eine rissige, erdfarbene Haut umschließt 
den kolossalen Körper, an dem die Glieder ohne freiaufstrebenden
	        
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