Naturbilder,
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Seiten ohne etwas ausfindig zu machen; doch scheint ihm Vorsicht rat¬
samer und er fährt zu Baue.
Ein anderes Mal sonnte er sich wieder auf der Terrasse, trabte
dann zur Abwechslung wieder einmal talabwärts um in ziemlicher Ent¬
fernung Raum zu schaffen für die Äsung der nächsten Nacht; ja er
kehrte sogar gemäß seiner berühmten Vorsicht und Reinlichkeit noch¬
mals um und überscharrte zu wiederholten Malen seine Losung, damit
sie ja nicht zum Verräter werde. Auf dem Rückwege nahm er sich
dann Zeit, stach1) hie und da einmal ohne jedoch beim Weiden sich
aufzuhalten, trieb dann auch ein Weilchen den alten Zeitvertreib, und
als allmählich der Bäume Schlagschatten2) die Szene überliefen, da fuhr
er nach so schweren Mühen wieder zu Baue wahrscheinlich um auf die
noch schwereren der Nacht zum voraus noch ein bißchen zu schlummern.
Friedrich von Tschudi, Das Tierleben der Alpenwelt, 11. Anti. Leip¬
zig 1890, 8. 192 f.
Vgl. Engleder, Wandtafeln für den naturkundlichen Unterricht 1. Abt. Tierkunde
Nr. 26: Dachs; Gerold, 105 Wandtafeln für dev naturgeschichtlichen Anschauungsunterricht,
1. Abt. Zoologie Nr. 11: desgl.; Lehmann-Leutemann, Zoologischer Atlas Nr. 60: desgl.
114. Das Pferd.
Munter hüpft das Füllen auf grünem Rasen, sträubt die kurze,
krause Mähne, schwingt sich leicht wie ein Hirsch über die Hecke,
schlägt die kleinen Hufe in die Lüfte, und wie ergriffen vom Windstoß
stürzt es fort, steht plötzlich und plötzlich wieder umkreist es die ruhig
v/ei den de Stute, von ihren Blicken sorgsam bewacht. Schon verraten
die schlanken Glieder künftige Kraft und Behendigkeit, sein dunkles, großes
Auge Mut, sein Spiel die Kampflust. Es wächst zum Helden, zum beharr¬
lichen Gefährten, zum Freunde des Menschen, treu bis in den Tod, heran.
Edel ist das Pferd; wie aus Erz gegossen so fest steht es da und
dennoch schlank wie ein Reh und so friedlich. Sicher ist sein Gang,
stolz trägt es sein Haupt mit schön gewölbter Stirn und Nase; das
runde, rege Auge mit dem schwarzen Glanz erspäht den Feind, mit
grünem Schein erleuchtet es den dunklen Pfad. Es spielt mit dem
spitzen Ohr, erfaßt den verlornen Laut, stutzt und warnt seinen Reiter.
Zur Seite des schlanken, glatten Nackens fällt die seiden-schimmernde
Mähne. Seine Brust, voll und weich wie die des Schwans, stellt sich
keck der Gefahr entgegen und der glatte Leib ruht sicher auf festen
Lenden, auf nervigten Füßen. Die eisenfesten Hufe stampfen ungeduldig
den Boden, der volle, glänzend schwarze Schweif fließt ruhig über das
gewölbte Kreuz zur Ferse nieder.
Auf des Reiters Wink springt es auf wie ein Luchs, rennt davon,
:) Stechen = in die Erde nach Nahrung bohren.
2) Der Schlagschatten entsteht, wenn ein Körper einem hinter ihm gelegenen auf
entsprechenden Umfang das Licht entzieht.