Full text: [Teil 2 = (Für Quinta), [Schülerband]] (Teil 2 = (Für Quinta), [Schülerband])

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Gras nieder. Der Fleißige aber bedachte sich nicht lang, lies ihr nach, ergriff 
sie an dem Zipsel ihres weiten Mantels und sprach: „Wer bist du?" „Das 
Glück," antwortete die Frau, „und jenes Schloß ist mein. Kommt mir nach! 
und seid ihr vor Mitternacht da, so will ich euch freundlich aufnehmen. Kommt 
ihr aber nur eine Sekunde nach Mitternacht, so ist für euch mein Haus ver¬ 
schlossen!" Bei diesen Worten entzog sie ihren Mantel der Hand des Gesellen 
und rollte so rasch dahin, daß sie bald seinen Blicken entschwunden war. 
Der Gesell kehrte zu seinem Kameraden zurück, erzählte ihm, was ihm 
begegnet, und sagte: „Ich geh' hin. Kommst du mit?" Der aber sprach: „Bist 
du toll? Ja, wenn ein Pferd hier wäre und mich hinbrächte!" „Ade!" rief 
der andere und trat seine Reise an. Der Faule dachte: „Lauf du nur immer¬ 
zu! der Zufall ist schon manchem im Schlafe günstig gewesen, vielleicht ist er's 
mir heute auch einmal." Damit legte er sich aus den Bauch und blinzelte 
behaglich, aber doch etwas sehnsüchtig nach dein flimmernden Schlosse hin. 
Plötzlich fühlte er um seine Ohren etwas Warmes schnuppern, und als er sich 
langsam umwandte, siehe, da stand ein hübsches munteres Pferdchen da, das 
war glänzend weiß, schüttelte die Mähnen und wieherte lustig in die frische 
Morgenluft hinaus. „Hab' ich's nicht gleich gesagt!" rief der Geselle, „wer 
nur dem Zufall vertraut! Komm her, mein Tier, wir wollen gute Freunde 
sein!" — Mit diesen Worten hob er sich ruhig in den Sattel, und wie der 
Wind flog das Tier mit ihm auf und davon. Bald holte er seinen Kameraden 
ein. „Viele Grüße an Schusters Rappen von meinem Schimmel!" rief er ihm 
im Vorbeijagen zu. Der aber ließ sich nicht stören, sondern schritt rüstig und 
sicher seine Straße vor sich hin. 
Ans einer buschigen Anhöhe niachte der Schimmel mit seinem Reiter 
um Mittag plötzlich Halt. „Recht so," sprach dieser, „du bist ein ganz gescheites 
Tier. Eile mit Weile, das ist die wahre Weisheit. Das Schloß da läuft uns 
nicht fort, aber der Appetit, wenn man sich überhungert." Nun stieg er vom 
Pferde, suchte einen weichen, schattigen Abhang neben einen: bequemen Stein, 
ließ sich ins Moos nieder, stemnlle die Beine gegen einen Baumstamm und 
hielt sein Mittagbrot, denn gliicklicherweise befand sich Brot und Wurst in 
seinen Taschen und ein guter Schluck in seiner Korbflasche. Und als der 
Magen gefüllt war und ihn der Schlaf überkam, folgte er dieser süßen Lockung, 
streckte alle Viere von sich und schlief ruhig ein. Das war ein Schlaf! So 
schöne Träume hatte er noch nie gehabt. Ihm träumte, er sei schon im Schlosse, 
läge auf seidenen Polstern, und was er nur wünsche, käme ihm von allen 
Seiten zugeflogen, ohne daß er auch nur den kleinsten Finger zu rühren 
brauche. Zuletzt war es ihm, als würde ein großes Feuerwerk abgebrannt 
und die schönste Musik spielte dazu das Lied: „Frischer Mut, leichtes Blut 
ist des rüst'gen Wandrers Gut." — Da wachte er auf. Er rieb sich die 
Augen. Nun sah er, daß die Sonne hinter dem Schlosse soeben unterging 
und ihm noch den allerletzten Strahl in die Augen warf. Aus dem Tale vor 
ihn: aber schallte die Stimme des Kameraden herauf, der sang das Lied, 
Lehmann, Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten. II. Teil. ?
	        
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