Full text: [Teil 2 = (Für Quinta), [Schülerband]] (Teil 2 = (Für Quinta), [Schülerband])

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und ihr Haus, das sie auf dem Rücken trug, hatte ihm zur Lehne gedient. Da 
war's nun wohl natürlich, daß er nicht schneller weiter kam. Ihn überlief 
es eiskalt! aber das half alles nichts, er mußte froh fein, auf solche Weife 
feinem Ziele näher zu kommen. Und wirklich, schon schlug die Glocke aus der 
Ferne den ersten der zwölf Schläge, mit denen sie in langen Zwischenräumen 
die Mitternachtsftunde verkündigen sollte. In demselben Augenblicke schob sich 
sein neues Saumtier mit ihm aus dem Walde heraus, und das prächtige, 
wunderbare Schloß des Glückes lag ganz dicht vor ihm da. Bisher hatte 
der Faule aus seinem Sitze kein Glied gerührt, jetzt driickte er dem Tiere beide 
Fersen in die weichen, schwammigen Seiten. Das aber war solche Behandlung 
nicht gewohnt, im Nu zog es sich mit Kopf und Kragen in sein Haus hinein und 
ließ den Reiter zu Boden gleiten. Jetzt brummte die Turmuhr den zweiten Schlag. 
Hätte der Faule sich zusammengenommen und seinen Füßen vertraut, 
noch immer hätte er sein Ziel erreichen können, ehe der letzte Schlag verhallt 
wäre. Aber nein! er stand da und rief jammernd: „Ein Tier! ein Tier! 
was es auch sein mag, nur ein Tier, das mich zum Schlosse hinträgt!" 
Unterdes aber waren fast sämtliche Lichter im Schlosse erloschen, der Mond 
trat wieder hinter dunkle Wolken, und rings umher war es, wie früher, 
dunkle Nacht. Die Turmuhr schlug den dritten Schlag. Da hörte er neben 
sich etwas rasseln, es kam durch die Dunkelheit daher wie ein gepanzert' Roß 
und hielt neben ihm still. „Das wird mein Schinnnel sein," rief der Faule, 
„den hat mir der Himmel zur rechten Zeit geschickt." So rasch es ihm möglich 
war, schwang er sich dein Tiere auf den Rücken; nur ein kleiner Hügel war 
noch zu erklimmen, noch sah er die Torflügel des Schlosses offen, und in der 
Tiire stand sein Kamerad und winkte ihm jubelnd mit seiner Mütze zu. Schon 
schlug die Turmuhr den vierten Schlag, da fing das Tier, worauf er saß, 
an sich zu bewegen; — sie schlug den fünften Schlag, da ging es vorwärts; — 
sie schlug den sechsten Schlag, da stand es still; — sie schlug den siebenten 
Schlag, da erhob sich das Tier abermals, nahm einen Anlauf und — ging 
rückwärts! Vergebens suchte er sich hinabzuwerfen. Bei einem fliichtigen 
Strahl des Mondes erschien ihm sein gepanzertes Roß als ein schauriges 
Ungeheuer mit zehn Beinen; von jeder Seite erhob es eure riesige Schere 
und kniff und hielt ihn fest an den Armen. Er schrie nach Hülfe. Umsonst! 
Immer weiter kam er von dem Schlosse zurück, immer näher rückte der 
entscheidende Augenblick. Die Turmuhr brummte einen Schlag nach dem 
andern herunter und endlich den zwölften, — noch einmal sab er dm 
Wunderbau vor seinen Blicken in hellem Lichtschimmer aufleuchten, aber in 
demselben Moment hörte er auch die Torflügel mit gewaltigem Prasseln 
zusammenschlagen. — Der Eingang zum Schlosse des Glücks war ihm für 
immer verfchlossen; und als er beim Scheine des flammenden Lichtes das 
Ungeheuer, das ihn immer weiter und weiter rückwärts riß, näher betrachtete, 
siehe, da war es ein ungeheurer Krebs! Wo er auf diesem Rosse hingekommen, 
weiß ich nicht zu sagen. Kein Mensch hat sich weiter um ihn bekümmert. 
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