Full text: [Teil 2 = (Für Quinta), [Schülerband]] (Teil 2 = (Für Quinta), [Schülerband])

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Winnen könnte, wenn der Zentner um 10 Gulden aufschlüge, ergriff ihn fachte 
am Mantel und bat ihn treuherzig um Exküse. „Das muß wohl auch ein guter 
Freund von Euch gewesen fein," sagte er, „dem das Glöcklein läutet, daß Ihr 
so betrübt und nachdenklich mitgeht." — „Kannitverstan!" war die Antwort. 
Da fielen unserm guten Duttlinger ein paar große Tränen aus den Augen, und 
es ward ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. „Armer Kannitver¬ 
stan," ries er aus, „was hast du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst 
von meiner Armut auch bekomme: ein Totenkleid und ein Leintuch, und von 
allen deinen schönen Blumen vielleicht einen Rosmarin aus die kalte Brust, oder 
eine Raute." Mit diesen Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu 
gehörte, bis ans Grab, sah den vermeinten Herrn Kannitverstan hinabsenken 
in seine Ruhestätte und ward von der holländischen Leichenpredigt, von der¬ 
er kein Wort verstand, mehr geriihrt als von mancher deutschen, auf die er 
nicht acht gab. Endlich ging er leichten Herzens niit den andern wieder fort, 
verzehrte in einer Herberge, wo man Deutsch verstand, mit gutem Appetit 
ein Stück Limburger Käse, und wenn es ihm wieder einmal schwer fallen 
wollte, daß so viele Leute in der Welt so reich seien und er so arm, so dachte 
er nur an den Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an sein großes Haus, 
an sein reiches Schiff und an sein enges Grab. 
j 199. Die sieden Faulen. 
Von Friedrich Wagenfeld. Bremer Volkssagen. 1845. 
Als die Bremer Stephansstadt noch nicht erbaut war, befanden sich in 
dortiger Gegend nur Kohlhöfe und Ackerland. Aber die Ländereien waren 
nur von mittelmäßigem Ertrage; denn ein großer Teil bestand aus Sand¬ 
boden, und die niedrig gelegenen Striche waren der Überschwemmung der 
Weser ausgesetzt. Da hielt sich denn, wenn auch der Fluß schon längst in seine 
ltfer zurückgetreten war, das Wasser in den Niederungen bis tief in den 
Sommer hinein, und giftige Dünste, ausgebrütet von den heißen Sonnen¬ 
strahlen, verpesteten die Luft. Darum wurde die ganze Umgegend auch sehr 
wenig bewohnt, und nur die ärmeren Bürger, welche hier ein Stück Land 
besaßen, und für die eine Wohnung in der eigentlichen Stadt zu teuer war, 
hatten sich hier angesiedelt. 
Vor vielen, vielen Jahren nun wohnte daselbst ein Mann, welcher, nach 
der Größe seines Grundbesitzes zu rechnen, sehr reich hätte sein müssen, der 
aber dennoch der ärmste war unter allen seinen Nachbarn. Denn seine Kohl¬ 
stücke waren die dürrsten und sandigsten und sein Grasland fast das ganze 
Jahr hindurch ein beständiger Sumpf, so daß er nur in sehr trocknen Jahren 
aus eine kleine Heuernte rechnen durfte. Deswegen hielt er auch keine Kuh, 
sondern begnügte sich mit einer Ziege, obgleich die Milch derselben für seinen 
Hausstand bei weitem nicht zureichte. Es war freilich bei ihm von Gesinde 
keine Rede; aber sein Hausstand war nichtsdestoweniger bedeutend zu nennen. 
Denn er hatte sieben Söhne, einer noch größer und stärker wie der andere.
	        
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