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bei sich zu überdenken, was er den Tag über gehört, getan und
gesagt hatte. So blieb denn Zeit für die eigenen Geschäfte, wie für
die der Bekannten und der Gemeinde und nicht minder für Gespräch
und Vergnügen. Alles ward rasch und ohne viel Reden abgetan, und
in echtem Tätigkeitssinn war ihm nichts so verhaßt wie die Vielgeschäftig¬
keit und die Wichtigtuerei mit Kleinigkeiten.
So lebte der Mann, der den Zeitgenossen und Nachkommen als
der rechte römische Musterbürger galt und in dem die römische Tüchtig¬
keit und Bravheit gleichsam verkörpert erschien.
69. Die Spiele der griechischen und römischen Kinder.
W. Richter.
Mit dem Eintritt in das Dasein verfiel das spartanische Kind der
Verfügung des Staates, der sich das Recht vorbehielt, die neu¬
geborenen Spartiatenkinder einer Prüfung ihrer körperlichen Beschaffen¬
heit zu unterziehen. Das schwache und gebrechliche wurde am Taygetos
ausgesetzt, während das gesunde und fehlerlose von den Eltern auferzogen
werden mußte. In Athen hatte mit der Geburt des Kindes der Vater
darüber zu entscheiden, ob er dasselbe behalten und erziehen oder ver¬
stoßen und aussetzen wollte. Dem mißgestalteten und schwächlichen Kinde
war von selbst schon sein Geschick entschieden; es galt als ein unglück¬
liches Wahrzeichen, als ein Zeugnis schlimmer Vorbedeutung von dem
Zorne der Götter. Aber auch das völlig gesunde Kind fiel nicht selten
einem eigennützigen Wunsche der Eltern zum Opfer, selbst die Kinder
von begüterten Vätern wurden ausgesetzt. Mochten auch Wohkdenkende
eine solche Härte entschieden mißbilligen, geübt wurde sie zu allen Zeiten,
das allgemeine Urteil des Volkes war hierin sehr nachsichtig. Auch die
Zwölftafelgesetze der Römer befahlen die Aussetzung der schwächlichen
Kinder, die Geschichte belehrt uns aber, daß man nicht selten diese Er¬
laubnis auch auf gesunde Kinder ausgedehnt hat. Überhaupt war im
Altertume die Macht des Vaters über das neugeborene Kind durch
die Gesetze wenig beschränkt.
War die Erklärung des Vaters, daß er das Kind als Glied der
Familie anerkennen wollte, erfolgt, so erschienen Verwandte und Freunde
des Hauses, um ihre Glückwünsche abzustatten und Geschenke zu bringen.
Das geschah am fünften Tage nach der Geburt. Zum Zeichen der Freude
war das Haus festlich geschmückt: über die Tür war ein Kranz aus Ol-