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76. Nettelb eck bei König Friedrich Wilhelm.
Joachim Nettelbeck.
Die Rückkehr unseres gefeierten Königspaares von Preußen nach
Berlin im Dezember des Jahres 1809 war ein Ereignis, das meine Seele
mit hoher, freudiger Teilnahme beschäftigte. Einem früheren Gerüchte
zufolge sollte der Weg dasselbe auch zu uns nach Kolberg führen; aber
der Anblick unserer fast noch rauchenden Trümmer konnte kein erfreu¬
licher und uns selbst es daher kaum wünschenswert sein, das landes-
väterliche Herz damit zu betrüben. Auch erfuhren wir bald, daß die
Strenge der Jahreszeit die nächste und kürzeste Richtung geboten habe
und der königliche Reisezug am 21. in Stargard eintreffen werde, um
dort einen Rasttag zu hallen. Es war also auch zu erwarten, daß die
pommerschen Stände und andere Behörden der Provinz sich dort dem
Könige vorstellen würden.
Diese Nachricht traf mich am 19. abends in einer Gesellschaft, wo
viele würdige Männer unserer Stadt beisammen waren, und schnell und
plötzlich flog mir ein Gedanke feurig durchs Herz. „Wie?" rief ich aus,
„so viele unserer Landsleute sollten dort vor dem König stehen, ihm
ihre frohen Glückwünsche darzubringen, und nur aus unserer Vaterstadt
sollte sich niemand zu einer solchen freiwilligen Huldigung eingefunden
haben? Das hat weder der König um Kolberg, noch wir um ihn ver¬
dient! Seine Gnade hat uns erst unlängst eine Kriegssteuer von nahe
an zweimalhunderttausend Talern erlassen; bei welcher schicklicheren Ge¬
legenheit könnten wir ihm dafür unsern Dank bringen, als wenn eine
Deputation der Bürgerschaft sich jetzt dazu auf den Weg machte? —
Vollmacht? Die würden wir von unsern verkehrten Stadlobrigkeiten,
wenn es auch noch Zeit zur Beratung und Ausfertigung wäre, umsonst
erwarten! Und wozu auch Vollmacht? Trägt sie nicht jeder mit seinem
Gefühl der Dankbarkeit im eignen Herzen? Wird dort auch nach Voll¬
macht gefragt werden, wo wir nichts bitten, nichts verlangen, und wo
nur allein unsere Glück- und Segenswünsche aus einem begeisterten
Herzen hervorquellen werden?"
Alles war meiner Meinung, aber alles glaubte auch, es sei nicht
mehr an der Zeit, diesen Gedanken weiter zu verfolgen; denn um ihn
zur Ausführung zu bringen und zu rechter Zeit zur Stelle zu sein, würde
man noch den nämlichen Abend sich auf den Weg machen müssen. —