zu wollen, denn die Felsen im Flusse sind mit eisigen Panzern bedeckt,
und an ihnen herunter hängen die Zacken ellenlang, wie Lanzenspitzen
eines nordisch gletscherhaften Riesengeschlechts. In dieser öden, rauhen
Welt, unter diesem Eise, in diesem wildbewegten, furchtbar kalten Wasser
sich wohl fühlen zu können, dazu gehört eine Natur- und Leibesbeschaffen-
heit, wie sie uns Menschenkindern versagt ward. Und doch hat auch
dieser tolle Wirbeltanz von Eisbrocken und Eiswasser seine Liebhaber,
die sich keck und frisch kopfüber in ihn mischen!
Bemerkst du das Vöglein drunten auf dem Stein im Wasser? Be¬
trachte es dir genau, es ist einer der wunderbarsten Kumpane in unserer
ganzen Vogelwelt. Sein ctleib ist schlicht, daran ist keine Farbenpracht
zu bewundern: braungrau, rußfarben ist das Röcklein, nur das Vor-
hemdchen leuchtet sauber weiß. In der Gestalt und Haltung erinnert
das Tierchen etwas an den Zaunkönig, mit dem es vielleicht auch ver¬
wandt ist; freilich seine Größe ist beträchtlicher, ungefähr wie die des
Stares, aber der Leib ist plumper als bei diesem und das Schwänzchen
kürzer. Auf dieses kurze Schwänzlein scheint der Vogel indessen nicht
wenig stolz zu sein, er trägt es mit selbstbewußter Grazie, und von Zeit
zu Zeit wippt er mit ihm oder eigentlich mit seinem ganzen Hintergestell,
ohne daß man eigentlich wüßte, weshalb!
Das ist die Wasseramsel (Oinelus aquaticus).
Aber der Vogel ist unser mittlerweile gewahr geworden, erschrocken
läßt er ein zankendes Geschrei ertönen und fliegt ab mit schnurrendem
Fluge, ähnlich dem seines Hausgenossen, des Eisvogels. Und wie dieser
erhebt er sich nicht hoch über den Wasserspiegel und streicht dem Flüßchen
nach, allen seinen Windungen und Krümmungen folgend; nur äußerste
Not und Gefahr kann ihn zwingen, in gerader Linie über Land von
seinem geliebten Bächlein wegzufliegen oder gar in die Luft sich auf¬
zuschwingen. Wir wollen uns hier hinter die überreifte Hecke verstecken.
Soweit ich die Wasseramsel kenne, wird sie bald wieder zu jenem Steine
zurückkehren, denn sie hat wie die meisten auf Flutzfischerei angewiesenen
Vögel ihre ganz bestimmten Lieblingsstellen, von wo aus sie ihren
Fang betreibt und wo sie auch nachts zu ruhen pflegt.
Die einzelnen Individuen oder höchstens Pärchen haben die Fischerei
im Flüßchen streckenweise gepachtet. Eine jede solche Strecke ist ungefähr
2000 Meter lang, und jeder Pächter duldet den Nachbar nicht in seinem
Revier. Um die Grenzgebiete flußauf und flußab werden gelegentlich
erbitterte Kämpfe ausgefochten, denn auch in der Vogelwelt gilt jenes