Full text: Aus der Heimat - über die Heimat

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Anhang. 
weg ging. Bei dem Bergauffahren ging's langsam, und das war uns 
gerade recht; denn da konnten wir den alten Postillon recht nach 
Herzenslust ausfragen. Dem alten Mann muß das Herz aufgegangen 
sein über unserm lustigen Plaudern, und er mag wohl daran gedacht 
haben, wie er auch einmal jung gewesen in: Leben, und über das alte 
Gesicht mit seinen vielen Falten und Furchen leuchtete es wie Sonnen¬ 
schein über einen zerrissenen Felsen. Da erzählte er denn, wie er 
unter den badischen weißen Husaren gestanden und mit nach Rußland 
gezogen sei unter dem Markgrafen Wilhelm und an der Beresina auch 
fast mit umgekommen wäre, wie so viele seiner Kameraden, aber er 
habe sich durchgeschlagen. Daher sei ihm seine Nase verfroren, und 
drum sähe sie so rot aus und nicht, wie die Herren etwa meinen 
könnten, vom Schöppleintrinken; denn dazu habe er kein Geld. Vom 
seligen Großherzog Karl Friedrich konnte er auch erzählen, den er als 
Bub manchmal im Karlsruher Schloß gesehen, und was das für ein 
leutseliger Herr gewesen. Aber der Glanzpunkt seines Lebens war, 
wie er den Großherzog Leopold aufs Ebersteinschloß hinaufgefahren 
vierspännig, und wie der Großherzog ihm noch extra zwei Kronentaler 
gegeben, ihm auf die Schulter geklopft und gesagt habe: „Hör' Er, 
Er muß mich immer fahren; denn so wie Er kann's doch keiner, selbst 
nicht einmal mein Leibkutscher in Karlsruh'." „Ja," sagte der Postillon, 
„das freut mich halt, und wenn ich hundert Jahr' alt werde, daß der 
gnädige Herr so zu mir gesagt hat. Aber freilich, 's war auch flott gefahren, 
und nicht umgeschmissen am scharfen Rang; ich aufm Handgaul, und 
dann herunter vom Schlößle nach Baden-Baden! Das ist freilich fein 
Spaß." Auf diese Geschichte kam er immer wieder; das war seine 
Leibgeschichte, die jedesmal eine andere Gestalt annahm. Wir konnten 
uns natürlich nicht satt hören, und sie war uns interessanter als die 
großen „Steinfelsener", auf die er oft hinunterdeutete, die da drunten 
bei Langenbrand an der Murg lägen. In Gausbach hatte er einen 
Schwager, der war Wirt im „Dürste", und er redete so drum herum, 
daß es dort gut einkehren wäre und auch nicht so teuer wie im 
„Städtle" drin, in Forbach. Wir kehrten ein und fanden auch alles 
preiswürdig und lachten vor allem über den Schwager, der uns die 
heiße Suppe hinstellte mit den Worten: „Guten Appendick". Das 
war uns doch neu, daß sich das Wort so „verdickt" hatte, und wir 
konnten, wie echte Buben, nicht aus dem Lachen herauskommen, denn 
immer fing wieder irgend einer von neuern an, werrn der Wirt herein¬ 
kam, der keine Ahnung hatte, worüber wir eigentlich lachten. Unser 
Postillon saß nicht wie wir im Herrerrstüble und ließ es sich drum 
unbeobachtet und „kostenfrei" beirn Herrrr Schwager trefflich schmecken. 
Wozu hat man auch einen Schwager in Gausbach!
	        
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