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149. Jokli' zieh's Käppli ab!
„Jokli zieh's Käppli ab!" sagte allemal des Schneider
Balzers Witwe zu ihrem kleinen Sohne, wenn ein Fremder durch's
Dorf ging, und Jokli nahm das Käppchen ab und gewohnte
sich, gegen jedermann, vornehm oder gering, immer höflich und
dienstfertig zu sein.
Die andern Leute im Dorfe waren aber grob, und die jungen
waren es wie die alten; das war nicht löblich.
Höflichkeit ist eine wohlfeile Waare, sie kostet uns nichts und
macht uns alle Menschen zu Freunden. Grobe Leute liebt niemand,
jeder verachtet sie, wenn sie auch steinreich wären. Freundliches
Wesen und Dienstfertigkeit ist der Schlüssel zum Herzen aller
Menschen.
Wenn ein Fremder ins Dorf kam, war Jokli immer der erste,
welcher freundlich grüßte; die andern standen da wie Brunnen¬
stöcke und konnten den Hut nicht vom Kopfe bringen, als wären
Hut und Kopf zusammengewachsen.
Es kam wohl zuweilen, daß ein Reisender nach dem Wege
fragte. Statt ordentlich zu antworten, standen die Leute stumm
und dumm da, oder lachten und machten alberne Gesichter.
Jokli war aber gleich bei der Hand, antlvortete und be¬
gleitete den Fremden, bis er nicht mehr irren konnte. Davon erntete
er manchen freundlichen Dank ein, aber Almosen zu nehmen, schämte
sich Jokli. Nun was geschah? Jokli war sechszehn Jahre alt, stark
und groß und half seiner Mutter durch Tagelohn das Brot ver¬
dienen, das er mit ihr theilte. Wegen seiner Höflichkeit hatte ihn
jedermann lieb.
An einem Sonntage saß er mit andern vor dem Wirtshause
an der Landstraße. Da kam des Wegs ein alter Herr aus der
Stadt, welcher spazieren ging. Ein Betrunkener fluchte lästerlich
und verhöhnte den alten Mann, die andern lachten aber aus vollem
Halse. Da ging Jokli hin, warf den Betrunkenen auf die Seite
und führte den alten Herrn zum Pfarrer, den er besuchen toollte.
Kaum eine Viertelstunde nachher kamen zwei Kutschen voll
Herren und Damen. Die Leute saßen da und gafften. Endlich