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C. Neue deutsche Geschichte.
Zur öas Handwerk war Wilhelm II. nicht minder besorgt. „(Es ist mein
Wille, daß das Handwerk wieder zu der Blüte gelangen möge, in der es bereits
im 14. JahrhunÖert gestanöen hat", sagte er einer flborönung öes hanöwerker-
tages 1890. Das Handwerkergesetz von 1897 suchte die Hilfe für das Handwerk
in der Ausstattung der Innungen mit weitergehenden Befugnissen, in öer Regelung
Öes Lehrlingswesens unö öer (Einführung von hanöwerkskammern. 1907 unö
1908 erschienen Novellen zur (Secverbeorönung unö 1909 ein Gesetz zur Sicherung
öer Bauforöerungen. Die Meisterprüfung tvuröe eingeführt, öas Submissions-
wesen geregelt, öie Zentralgenossenschaftskasse gegründet, um öem hanöwerker
einen billigen Kreöit zu verschaffen, öas gewerbliche Zach- unö Zortbilöungs-
schulwesen geföröert, öie Gefängnisarbeit eingeschränkt u. a. m. Die Bekämpfung
öes unlautern Wettbewerbs, öie Einschränkung öes hausierhanöels, öer wanöer-
lager, öas lüarenhaussteuergesetz u. ögl. m., öie in erster Linie öem kaufmännischen
Mittelstanöe öienen sollen, kommen auch öem hanötverkerstanöe zugute. Zürtvahr,
öie Sozialöemokratie hat keine Ursache mehr, Öen Rassenhaß zu schüren unö öas
Volk zur Unzufrieöenheit zu reizen. Es ist geraöezu unbegreiflich, öaß sie noch
einen solch großen Anhang hat.
5. Die Kolonien unter Wilhelm II. flm 24. April 1884 stellte Bismarck öurch
ein Telegramm an Öen öeutschen Konsul in Kapstaöt öie Erwerbungen öes
öeutschen Kaufmanns Lüöeritz unter Öen Schutz öes Reiches. Daöurch rouröe öer
(Brunö zu unserm Kolonialbesitz gelegt. 1884 unö 1885 traten zu Deutsch-Süöwest-
afrika noch Togo, Kamerun, Deutsch - Gstafrika unö im Stillen (Dzean Kaiser-
Wilhelms-Lanö, öer Bismarck-Archipel unö öie Marschall-Jnseln. Dieser Kolonial¬
besitz rvuröe unter Wilhelm II. noch wesentlich vermehrt. 1897 schloß er mit China
einen Dertrag, öurch welchen öas Gebiet öer Kiautschoubucht öem Deutschen Reiche
„pachtweise auf vorläufig 99 Jahre" überlassen rvuröe. 1899 trat Spanien öie Karo¬
linen unö Marianen an uns ab; im selben Jahre erwarben wir öie Samoainseln
Upolu unö Sarvaii, unö 1911 tauschten wir öann noch Neukamerun von Zrankreich
ein. Unablässig ist öer Kaiser für öie kulturelle unö wirtschaftliche Erschließung
öer Kolonien tätig. Wir verfügen schon über ein koloniales Bahnnetz von 4000 km.
3n Süöwestafrika unö Gstafrika ist öie kommunale Selbstverwaltung eingeführt.
Die Rechts-, Finanz- unö Kreöitverhältnisse tvuröen geregelt unö öie Missions¬
tätigkeit öer beiöen großen christlichen Konfessionen öauernö geföröert.
Wir besitzen in unsern Kolonien ein wertvolles Gut, öas zwar noch immer
mehr nutzbar gemacht tveröen muß, aber jetzt schon unserm hanöel wertvolle
Rohstoffe liefert unö gute Absatzgebiete öarstellt. Erfreulicherweise dringt öer
koloniale Geöanke immer mehr ins Dolk ein. £eiöer reicht öie geringe Schutz¬
truppe (s. S. 173) unö unsere Marine zu einer erfolgreichen Derteiöigung
unserer Kolonien nicht aus, unö so fielen öenn öas zwischen englischem unö
französischem Besitz eingekeilte Togo 1914 englischer unö öas so weit ab¬
gelegene Kiautschou japanischer Raublust zum Opfer, letzteres alleröings erst
nach selten heldenmütiger Derteiöigung. fluch unsere ungeschützten Be¬
sitzungen im Stillen (Dzean tvuröen eine leichte Beute öer Japaner unö
Australier, tvährenö Kamerun, Deutsch-Süöwest-flfrika unö Deutsch-Ostafrika
bisher (Enöe Zebruar 1915) noch erfolgreich verteiöigt tveröen.
6. Die innere Verwaltung unter Wilhelm II. fluch auf öem Gebiete öer
innern Verwaltung zeigt sich öer Reformeifer unseres Kaisers, öer seinem gesamten
wirken Öen Stempel auförückt. hier nimmt öie £anögemeinöeorönung für öie
östlichen Provinzen öie erste Stelle ein. Sie ermöglicht es, kleine leistungsunfähige