52
Frühe des Morgens, noch ehe die Sonne am Himmel emporsteigt.
Feucht vom Thau der Nacht, ruht ringsum die Natur, und hell
spiegelt sich das Morgenroth in den blanken Sicheln und Sensen.
Sie sind am Ziele, und fröhlichen Sinnes beginnen sie die nicht
mühelose Arbeit. Zischend fährt die Sense ein, und Reihe auf
Reihe sinkt zu den Füßen der Schnitter nieder. Hinter den Schnittern
her gehen die Mägde, raffen geschäftig das Getreide zusammen und
binden es sorglich. Bald stehen die Garben in Haufen geschichtet
umher. Unterdessen ist die Sonne ausgegangen, und ein heiterer
Himmel leuchtet auf die Stoppelfelder herab. Ohne Rast fort geht
die rüstige Arbeit, und im heißen Sonnenschein fällt mancher Schwei߬
tropfen zur Erde. Um Mittag sendet die Mutter des Hauses ein
reichliches Mahl ins Feld, und die Schnitter freuen sich der kräftigen
Speise. Kurze Zeit gönnen sie erquickender Ruhe, und von neuern
beginnt die Arbeit in unermüdlicher Eile, bis die Sonne untergeht,
und eine reiche Spende des freigebigen Brotherrn für Fleiß und
Mühe lohnt. So währt es mehrere Tage, bis endlich der Schnitt
vollendet, und auch die letzten Garben völlig getrocknet find. Dann
folgt die fröhliche Zeit der Einfuhr. Wagen auf Wagen kommt
vom Dorfe gefahren, die Knechte laden mit langer Gaffel die
Garben hinauf, legen sie in geschickter Ordnung über einander und
schnüren das Ganze mit hänfenen Stricken. Die Peitsche knallt, und
lustig greifen die wohlgenährten Gäule aus, als wüßten sie, daß
sie ihres Herrn stolzen Segen fahren. Endlich kommt das letzte
Fuder ein. Grüne Zweige zieren den Deckbaum, ein Kranz, von
den Töchtern des Laudmanns aus blauen Kornblumen und knospenden
Feldrosen gebunden, liegt oben auf, und lustig flattern seine bunten
Bänder im Abendwinde. Unter munteren Scherzen und heiteren
Gesängen begletten die Schnitter den schwerbeladenen Wagen, lang¬
sam schwankt er durch das geöffnete Thor in die geräumige Scheune,
und bald find alle Speicher bis unter des Daches Sparren gefüllt
mit der köstlichen Gabe. Die Erutearbeit ist beendet.
50. Die Leinwand.
Du bist zur Sommerszeit schon an einem blühenden Flachs¬
felde vorübergegangen. Da standen viele tausend Leinpflänzchen.