Full text: [Theil 4, [Schülerband]] (Theil 4, [Schülerband])

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„O Schrecken, o Jammer! was fang' ich jetzt an? 
Was hab' ich aus Dummheit und Goldgier gethan! 
Nichts hilft mir im Hunger die goldene Wurst, 
Und Gold, statt des Weines, stillt nimmer den Durst. 
O hätt' ich, statt Goldes, nur Wasfer uud Brot! 
Ach, was mir ein Glück schien, das ist jetzt mein Tod!" 
Vor Ängsten und Jammern der Bauer erwacht; 
Denn alles nur dies war ein Traum in der Nacht. 
„Gott Lob! spricht es, froh der verschwundenen Noth, 
Ich habe statt Goldes das tägliche Brot! 
Gott Lob, daß ich wieder bei ruhigem Sinn 
Und nicht das verwünschte Goldkäferlein bin! 
Gar gut ist's, so hat es der Traum mich gelehrt, 
Daß Gott nicht gleich jeglichem jedes gewährt: 
Gar mancher begehrte des Geldes wie Stroh, 
Und würde doch nimmer zufrieden uud froh; 
Ja mancher fleht' manches aus thörichtem Mund 
Und ginge an Leib und an Seele zu Grund." 
Chr. Dchmid 
62. Die weiße Schlange. 
Es ist nun schon lange her, da lebte ein König, dessen Weisheit 
im ganzen Lande berühmt war. Nichts blieb ihm unbekannt, und 
es war, als ob ihm Nachricht von den verborgensten Dingen durch 
die Luft zugetragen würde. Er hatte aber eine seltsame Sitte. 
Jeden Mittag, wenn von der Tafel alles abgetragen und niemand 
mehr zugegen war, mußte ein vertrauter Diener noch eine Schüssel 
bringen. Sie war aber zugedeckt, und der Diener wußte selbst 
nicht, was darin lag, und kein Mensch wußte es, denn der König 
deckte sie nicht eher auf und aß nicht davon, bis er ganz allein war. 
Das hatte schon lange Zeit gedauert, da überkam eines Tages den 
Diener, als er die Schüssel wieder wegtrug, die Neugierde so heftig, 
daß er nicht widerstehen konnte, sondern die Schüssel in seine 
Kammer brachte. Er verschloß die Thüre sorgfältig, hub den Deckel 
auf, und da sah er, daß eine weiße Schlange darin lag. Bei ihrem
	        
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