Full text: [Teil 5 = [Kl. 5], [Schülerband]] (Teil 5 = [Kl. 5], [Schülerband])

11. Der Bauer und lein Sohn, Von Eävarci WSriKe. 
OssLiniiikItk Urzäklullgen. 6. ^.uüage. Leipzig 1902. 8. 253. 
orgens beim Aufstehen sagt einmal der Peter ganz er¬ 
schrocken zu seinem Weib: „Ei, schau doch, Ev', was 
hab' ich da für blaue Flecken! Am ganzen Leib schwarz- 
blau! — und es denkt mir doch nicht, daß ich Händel 
hatte." „Mann," sagte die Frau, „du hast gewiß wieder 
den Hansel, die arme Mähr', halb lahm geschlagen? 
Vom Ehni hab' ich das wohl öfter denn hundertmal 
gehört: wenn einer sein Vieh malträtiert, sei's Stier, sei's Esel oder Pferd, 
da schickt es seinem Peiniger bei Nacht die blauen Mäler zu. Jetzt haben 
wir's blank." Der Peter aber brummte: „Hum, wenn's nichts weiter zu 
bedeuten hat!" schwieg still und meinte, die Flecken möchten ihm den 
Tod ansagen; deshalb er auch etliche Tage zahm und geschmeidig war, 
daß es dem ganzen Haus zugut kam. Kaum aber ist ihm die Haut wieder 
heil, da ist er wie immer der grimmige Peter mit seinem roten Kopf und 
lauter Flüchen zwischen den Zähnen. Der Hansel sonderlich hatte sehr böse 
Zeit, dazu noch bitteren Hunger, und wenn ihm oft im Stall die Knochen 
alle weh taten von allzu harter Arbeit, sprach er wohl einmal vor sich hin: 
„Ich wollt', es holte mich ein Dieb, den würd' ich sanft wegtragen!" 
Es hatte aber der Bauer einen herzguten Jungen, Frieder mit 
Namen, der tat dem armen Tier alle Liebe. Wenn die Stalltür auf¬ 
ging, etwas leiser wie sonst, drehte der Hansel gleich den müden Kopf 
herum, zu sehen, ob es der Frieder sei, der ihm heimlich sein Morgen¬ 
oder Vesperbrot brachte. So kommt der Junge auch einmal hinein, erschrickt 
aber nicht wenig; denn auf des Braunen Rücken sitzt ein schöner Mädchen¬ 
engel mit einem silberhellen Rock und einem Wiesenblumenkranz im gelben 
Haar und streicht dem Hansel die Bückel und Beulen glatt mit seiner 
weißen Hand. Der Engel sieht den Frieder an und spricht: 
„Dem wackern Hansel geht's noch gut, 
wenn ihn die Königsfrau reiten tut. 
Arm Frieder 
wird Ziegenhüter, 
kriegt aber Uberstuß, 
wenn er schüttelt die Nuß, 
wenn er schüttelt die Nuß." 
Solches gesagt, verschwand der Engel wieder und war nicht mehr 
da. Den Knaben überlief's, er huschte hurtig aus der Tür. Als er 
aber den Worten, die er vernommen, weiter nachsann, ward er fast 
traurig. „Ach," dachte er, „der Ziegenbub vom Flecken sein, das ist 
doch gar ein faul und ärmlichs Leben, da kann ich meiner Mutter nicht 
das Salz in die Suppe verdienen! Aber Nüss'? Woher? In meines
	        
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