Full text: [Teil 4 = [Kl. 6], [Schülerband]] (4. Teil = 6. Klasse, [Schülerband])

Lyder die Kamele witterten und zu Gesicht bekamen, wendeten sie sich 
zur Flucht. Doch gaben die Lyder ihre Sache noch nicht verloren; 
sie sprangen von ihren Pferden und warfen sich zu Fuß dem Feinde 
entgegen. Endlich aber, nachdem auf beiden Seiten viele gefallen, flohen 
die Lyder besiegt in ihre Stadt. 
Der Perser begann nun die Stadt Sardes zu belagern, und Krösus 
schickte um schleunige Hilfe an seine Verbündeten. Aber sie waren ihm 
nichts mehr nütze. Am vierzehnten Tage der Einschließung ließ Cyrus in 
seinem Heere verkünden, wer zuerst die Mauer erstiege, den wolle er reichlich 
belohnen. Daraus unternahm das Heer einen Sturm; allein es ward 
zurückgeschlagen. Ein mardischer Krieger aber hatte tags zuvor gesehen, 
wie ein Lyder an der Seite der Burg, wo ein jäher, unzugänglicher 
Fels war, herabstieg und sich seinen Helm wieder holte, der hier herab¬ 
gerollt war. Da nun stieg er jetzt hinauf, und andere Perser folgten 
ihm, ohne daß die in der Stadt es merkten. Denn weil der Ort so 
steil war, so hatte man daselbst keine Wache ausgestellt. Und als nun 
viele hinaufgestiegen waren, wurde Sardes erobert und die ganze Stadt 
verwüstet (549). 
Während die persischen Soldaten in der Stadt wüteten und nieder¬ 
machten, ivas vor sie kam, suchte Krösus, der Unglückliche, voll Ver¬ 
zweiflung den Tod. Schon schwang ein Perser seinen Säbel über seinem 
Haupte, um ihn niederzuhauen, da rief plötzlich des Krösus taubstummer 
Sohn ihm zu: „Mensch, töte den Krösus nicht!" Das war das erste 
Wort, das er in seinem Leben sprach; der Schreck hatte ihm die Zunge 
gelöst, und von der Zeit an konnte er reden sein Leben lang. Krösus 
aber wurde lebendig gefangen und vor den Cyrus geführt. Der ließ 
einen Scheiterhaufen auftürmen und den Krösus in Ketten darausstellen, 
um ihn zu verbrennen, zugleich mit zweimal sieben Knaben der Lyder. 
Da gedachte Krösus auf dem Holzstoß jener Worte des Solon, daß kein 
Mensch glücklich sei, solange er noch lebe, und rief dreimal laut den 
Namen Solon. Cyrus wunderte sich, als er dies hörte, und sandte 
die Dolmetscher hin und ließ fragen, wen er da anriese. Krösus aber 
schwieg. Als man heftig in ihn drang, sprach er endlich: „Ich rief den 
Namen eines Mannes, von dem ich wünschte, daß ihn alle Herrscher zu 
sprechen bekämen." Und wie sie weiter in ihn drangen, erzählte er, wie 
Solon von Athen zu ihm gekommen und alle seine Herrlichkeit für nichts 
geachtet habe, wie er ihn trotz seines Reichtums und seiner Macht nicht 
habe glücklich preisen wollen, bis er wisse, daß er glücklich geendet habe. 
Nun sehe er, wie wahr jener gesprochen. Das erzählte Krösus, während 
der Scheiterhaufen schon an allen Enden brannte. Und als Cyrus von 
den Dolmetschern vernahm, was Krösus gesprochen, da reuete es ihn, 
daß er einen Menschen, der vormals ihm gleichgestanden an Glück und 
Herrlichkeit, hatte lebendig verbrennen wollen; auch mochte er selbst
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.