Lyder die Kamele witterten und zu Gesicht bekamen, wendeten sie sich
zur Flucht. Doch gaben die Lyder ihre Sache noch nicht verloren;
sie sprangen von ihren Pferden und warfen sich zu Fuß dem Feinde
entgegen. Endlich aber, nachdem auf beiden Seiten viele gefallen, flohen
die Lyder besiegt in ihre Stadt.
Der Perser begann nun die Stadt Sardes zu belagern, und Krösus
schickte um schleunige Hilfe an seine Verbündeten. Aber sie waren ihm
nichts mehr nütze. Am vierzehnten Tage der Einschließung ließ Cyrus in
seinem Heere verkünden, wer zuerst die Mauer erstiege, den wolle er reichlich
belohnen. Daraus unternahm das Heer einen Sturm; allein es ward
zurückgeschlagen. Ein mardischer Krieger aber hatte tags zuvor gesehen,
wie ein Lyder an der Seite der Burg, wo ein jäher, unzugänglicher
Fels war, herabstieg und sich seinen Helm wieder holte, der hier herab¬
gerollt war. Da nun stieg er jetzt hinauf, und andere Perser folgten
ihm, ohne daß die in der Stadt es merkten. Denn weil der Ort so
steil war, so hatte man daselbst keine Wache ausgestellt. Und als nun
viele hinaufgestiegen waren, wurde Sardes erobert und die ganze Stadt
verwüstet (549).
Während die persischen Soldaten in der Stadt wüteten und nieder¬
machten, ivas vor sie kam, suchte Krösus, der Unglückliche, voll Ver¬
zweiflung den Tod. Schon schwang ein Perser seinen Säbel über seinem
Haupte, um ihn niederzuhauen, da rief plötzlich des Krösus taubstummer
Sohn ihm zu: „Mensch, töte den Krösus nicht!" Das war das erste
Wort, das er in seinem Leben sprach; der Schreck hatte ihm die Zunge
gelöst, und von der Zeit an konnte er reden sein Leben lang. Krösus
aber wurde lebendig gefangen und vor den Cyrus geführt. Der ließ
einen Scheiterhaufen auftürmen und den Krösus in Ketten darausstellen,
um ihn zu verbrennen, zugleich mit zweimal sieben Knaben der Lyder.
Da gedachte Krösus auf dem Holzstoß jener Worte des Solon, daß kein
Mensch glücklich sei, solange er noch lebe, und rief dreimal laut den
Namen Solon. Cyrus wunderte sich, als er dies hörte, und sandte
die Dolmetscher hin und ließ fragen, wen er da anriese. Krösus aber
schwieg. Als man heftig in ihn drang, sprach er endlich: „Ich rief den
Namen eines Mannes, von dem ich wünschte, daß ihn alle Herrscher zu
sprechen bekämen." Und wie sie weiter in ihn drangen, erzählte er, wie
Solon von Athen zu ihm gekommen und alle seine Herrlichkeit für nichts
geachtet habe, wie er ihn trotz seines Reichtums und seiner Macht nicht
habe glücklich preisen wollen, bis er wisse, daß er glücklich geendet habe.
Nun sehe er, wie wahr jener gesprochen. Das erzählte Krösus, während
der Scheiterhaufen schon an allen Enden brannte. Und als Cyrus von
den Dolmetschern vernahm, was Krösus gesprochen, da reuete es ihn,
daß er einen Menschen, der vormals ihm gleichgestanden an Glück und
Herrlichkeit, hatte lebendig verbrennen wollen; auch mochte er selbst