Full text: [Band 1 = 1. Schuljahr, [Schülerband]] (Band 1 = 1. Schuljahr, [Schülerband])

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Blau übergeht. Wo aber die leichten Wölkchen der Sonne sich zu¬ 
wenden, da strahlen sie im reinsten Golde. 
Stille ist alles aus der Erde, als wollte sich die Natur durch 
ein feierliches Abendgebet zum Schlummer vorbereiten. Leise rauscht 
es nur in den Wipfeln des Waldes und aus den Getreidefeldern 
erschallt das Zirpen der Grille. Hie und da neigen sich die reifen 
Ähren unter dem leisen Hauche des Abendwindes, dann und wann 
schlägt eine Welle knirschend an das Gestade oder schaukelt die gelben 
Wasserrosen. Die Bögel, welche die Luft mit ihrem Gesang erfüllt 
haben, suchen ihre Nester und ein Häschen schlüpft scheu am Feld¬ 
rain dahin um in sein sicheres Heim zu gelangen. Nur die Mücken 
und die Libellen tanzen noch in den letzten Strahlen der scheidenden 
Sonne. Ihr Leben ist ja so kurz, darum müssen sie es noch aus¬ 
nützen im lustigen Gaukeltanz. 
Von dem Felde kehrt der Landmann heim. Schwer ist die 
Arbeit des Tages gewesen und mancher Schweißtropfen rann über 
die gebräunte Stirn. Jetzt ist der Abend gekommen, der zur er¬ 
quickenden Ruhe ruft. Die Jacke nachlässig über die Schulter 
geworfen kehrt er heim, dem Dorfe zu, wo bereits die Rauchsäulen 
aufwirbeln, welche verkünden, daß für die müden Arbeiter die Mahl¬ 
zeit bereitet werde. Blutrot erglänzt der Rauch über den Kaminen 
und wie feurige Augen strahlen die kleinen Fenster. Jetzt ertönt 
leise ein melodisches Geläute vom Kirchturme die Menschen einzu¬ 
laden, sie sollen dem Herrn danken für den neuen Tag, den er ihnen 
in seiner unermeßlichen Huld geschenkt hat. 
Und als hätte die Sonne gewartet auf die frommen Gebete 
um sie zum Herrn zu bringen, so sinkt sie jetzt majestätisch hinter 
den Bergen hinab. Noch einmal erstrahlen die Schäfchenwolken in 
rosigem Schimmer, dann erbleichen sie und aus dem dunklen 
Firmamente tritt leuchtend der Abendstern hervor. 
Nach H. Hauer. 
128. Die Nacht. 
Welchen denkenden und empfindenden Menschen wird nicht der 
Anblick des sternenhellen Himmels zur stillen Nachtzeit mit Be¬ 
wunderung und Ehrfurcht erfüllen! 
Sobald die Sonne untergegangen ist, wird es allmählich dunkel. 
Bald erscheinen die Sterne, zuerst die größeren, dann die kleineren
	        
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