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„Höre, mein Kind," sagte darauf der Erzbischof, „ich will
dir einen Vorschlag machen. — Wir zwei wollen einen Vertrag
mit einander schließen und Halbpart machen, nämlich so: ich
gebe dir das Tierlein umsonst und du fütterst es und läßt es
tanzen, und was du damit verdienst, das teilst du mit mir,
und allemal am Neujahr kommst du, mir meine Hälfte zu
bringen. Ist dir das recht, so schlag ein!" Und mit diesen
Worten hielt er ihm die offene Rechte hin, daß er einschlüge,
und somit nach Landesbrauch der Handel richtig wäre.
Der Knabe sieht lange den Erzbischof fragend und forschend
an, ob ihm das Ernst oder ob es nur so ein Spaß wäre; als
er aber an der ernsten Miene des Erzbischofs sieht, daß er
keinen Scherz mit ihm treiben will, so schlägt er herzhaft ein,
daß es klatschet. Darauf bat er um das Mnrmeltierchen,
auf daß er sogleich seine Wallfahrt antreten könne, allein der
Erzbischof, dem der Knabe über die Maßen wohlgefiel, hatte
so im stillen bemerkt, daß das Hemde des Knaben am Kragen
franselig war, daß sein grünes, langschößiges Manchesterwams
verschiedene Öffnungen hatte, wo keine hingehörten, was man
mit dem deutschen und deutlichen Namen Löcher benennt, und
daß die grün-manchesternen Hosen auch auf den Knieen so dünne
waren, daß sie bald ähnliche Offenherzigkeiten zutage würden
treten lassen wie das Wams; er sagte daher: „Da du mein
Geschäftsgenosse geworden bist, so kann ich'S nicht verantworten,
dich in der grimmigen Kälte und in so schlechten Kleidern
wandern zu lassen. Ich riskierte ja, daß du krank würdest,
nichts verdientest, und daß am Ende das Murmeltier selbst
Schaden nähme und so mein Profit dahin wäre. Bleib daher
noch einige Zeit hier. Es soll dich nichts kosten!"
Das gefiel doch auch dem armen, kleinen Savoyarden und
er ließ es sich nicht zweimal sagen und blieb, bis die allzu¬
strenge Kälte sich gebrochen hatte, und als der Knabe dann
sich nicht länger halten ließ, kleidete ihn der Erzbischof von
Kopf bis zu den Füßen neu und ließ ihn dann mit seinem
Segen gehen. Biel tausendmal dankte der Glückliche und zog
dann mit federleichtem Herzen zu Triers Thoren hinaus dem
schönen Rheine zu.
III.
(S
Seit langer Zeit hatte nichts dem Erzbischof solche Freude
gemacht als die Geschichte mit dem Savoyardenknaben. „Willst