doch einmal sehen," sagte er zu sich, ob der Knabe so ehrlich
ist, als du glaubst." — Allein andere Dinge und Sorgen ver¬
drängten den Gedanken an den Knaben. — Der Sommer und
Herbst vergingen, wie nach langem, schwerem Wetter der Früh¬
ling vergangen war. Der Neujahrstag kam, und die Leute
brachten dem Erzbischof ihre Glückwünsche dar. Da dachte er
denn auch wieder an den Knaben. „Wird er kommen?" fragte
er sich; aber er kam nicht, und wieder verging ein Jahr und
er kam nicht.
O weh, dachte der Erzbischof wehmütig, der ist auch treulos
und auf den breiten Weg geraten, den viele gehen, der durch
die weite Pforte zur Verdammnis führt. Es that ihm im
Herzen wehe, daß er auch in diesem jungen Gemüte, das er
für so arglos und treu gehalten, sich sollte geirrt haben. Aber
es war nun einmal nicht anders, und der Erzbischof, der ander-
weit im Leben Undank und Treulosigkeit genug kennen gelernt
hatte, suchte den schmerzlichen Gedanken an den Savoyarden
aus seinem Gedächtnisse zu verscheuchen.
So verging denn ein Jahr nach dem andern. Zu den
dreien, die bereits in den Schoß der Zeit hinabgesunken waren,
gesellten sich noch drei, und der Erzbischof hatte längst die
ganze Geschichte vergessen. Wieder einmal kam der Wechsel
des Jahres, es war der siebente, seit der Knabe geschieden
war und nichts mehr von sich hatte hören lassen, da trat am
Morgen des 31. Dezember der Kammerdiener des Erzbischofs
in dessen Kabinet und sagte, es sei ein junger Mensch da, der
inständig bitten lasse, ihm eine Audienz zu verleihen, er habe
eine teure, hochwichtige Sache auf dem Herzen, die er offen¬
baren müsse. Der Kammerdiener sagte, er sei wohlgekleidet
und sehr anständig und bescheiden. Als ihn darauf der Erz¬
bischof vorließ, da trat ein bildschöner junger Mensch herein,
hochaufgewachsen und manierlich. Er verbeugte sich tief und
ehrfurchtsvoll und harrte der Anrede des Erzbischofs.
„Womit kann ich dir dienen, mein Sohn?" fragte der
Erzbischof milde.
Der junge Mensch bemerkte wohl, daß ihn der Erzbischof
nicht kannte, und hub also an: „Ich sehe wohl, daß ihr
mich nicht mehr kennet; aber ihr entsinnet euch doch wohl
eines Savoyardenbübleins, dem ihr vor sieben Jahren ein
Murmeltierlein unter der Bedingung gäbet, daß das Büblein
allemal zu Neujahr käme und die Hälfte des Gewinnes euch
bringe?"