B. Bilder aus dem Näturleben.
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und bewohnte mit ihr gemeinschaftlich die weite Ebene. Damals flog
er vortrefflich, war auch nicht so scheu wie jetzt, wo er dem heran¬
nahenden Menschen mit riesigen Schritten enteilt, sondern lebte in
Freundschaft und Vertrauen mit und zu ben Menschen und anderen
Tieren der Einöde. Eines Tages sagte die Hubahra zu ihm: „Lieber
Bruder, wenn es dir recht ist, wollen wir morgen, so Gott will, an
beu Fluß fliegen, dort trinken, uns waschen und dann zu unseren
Kindern zurückkehren." „Wohl," antwortete der Strauß, „wir wollen
fliegen!" setzte aber nicht hinzu „so Gott will," denn er war hoch¬
mütig und beugte sich nicht unter die Macht des allbarmherzigen und
ewigen Gottes, weil er bisher nur dessen unerschöpfliche Gnade kennen
gelernt hatte, sondern trotzte auf seine Kraft und seine starken Schwingen.
Am anderen Morgen rüsteten sich beide zur Reise, erhoben sich, und
die Hubahra sagte: „Im Namen Gottes!" dann flogen sie dem Auge
Gottes (der Sonne) zu. Und der Strauß schwang sich höher und
höher hinauf und eilte mit gewaltigen Flügelschlägen der Hubahra
weit voraus. Sein Herz war voll Stolz und Hochmut; er vergaß
die Wohlthaten des die Wohlthaten Spendenden und glaubte nur
seiner eigenen Kraft vertrauen zu können. Aber das Maß der Gnade
des Allbarmherzigen war übervoll, und der Zorn Allahs, des Gerechten
und Heiligen, ergrimmte über den Frevler. Höher und höher stieg
er hinauf zu der Wohnung der Begnadigten, als wolle er die Sonne
erreichen. Da nahte sich ihm der strafende Engel des Herrn und zog
den Schleier hinweg, welche ihn von der Flammenstrahlenden trennte,
und sie sandte ihm ihre Gluten zu. Im Nu verbrannten seine
Schwingen, und elendiglich stürzte er zur Erde herab. Noch heute
kann er nicht fliegen, heute noch siehst du seine versengten Federn,
heute noch fürchtet er Gottes Zorn und sucht diesem mit riesigen
Schritten zu entgehen. In einem engen Raume rennt er so lange
umher, bis er ermattet niedersinkt.
8. I>ie Weerlrätzchen.
G. Hartwig.
Nichts kann ergötzlicher für den unbeteiligten Beobachter und
ärgerlicher für den Eigentümer sein, als der Anblick einer beim
Plündern eines Durrah- oder Maisfeldes beschäftigten Meerkatzen¬
bande. Unter Führung eines alten, erfahrenen Leitaffen zieht die
freche Rotte dem Getreidefelde zu. Die Äffinnen, welche Kinder
haben, tragen diese, indem sich die kleinen Unholde mit den Vorder¬
füßen am 5>alfe, mit den Hinterfüßen am Bauche festhalten, auch
wohl zum Überfluß ihr Schwänzchen um den Schwanz der Mama
schlagen. Anfangs nähert sich die Bande mit großer Vorsicht, wo¬
möglich den Weg von einem Baumwipfel zum andern verfolgend.
Bisweilen steigt der sorgsame, stets vorangehende Führer auf einen
hohen Baum bis in die höchsten Spitzen hinauf, um von dort aus