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B. Lyrische Poesie. V. Weltliche Lieder.
156. Sommerlied.
Von Robert R einick.
1. Wann der Frühling vorbei,
Kommt der Sommer heran.
War der Frühling ein Kind,
Ist der Sommer ein Mann.
2. War dem Frühling sein Wämschen
Schon lustig genug,
Ist dem Sommer sein Rock
Mehr von gelblichem Tuch.
3. Hat der Frühling sich Blumen
Ums Hütlein gethan,
Steckt der Sommer sich Kirschen
Und Erdbeeren dran.
4. Und weinte der Frühling,
Da gab's einen Regen;
Und brummt der Herr Sonimer,
Da giebt's einen Segen.
5. Der fährt gleich mit Donner
Und Wetter darein,
Und's kann auch nicht alle Tag'
Sonnenschein sein.
6. Doch wenn er auch brummet,
Daß ringsum es kracht,
Nachher um so lust'ger
Er schmunzelt und lacht.
157. Gefunden.
Von Johann Wolfgang Goethe.
1. Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
2. Im Schalten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.
3. Ich wollt' es brechen,
Da sagt' es fein:
„Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?"
4. Ich grttb's mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ich's
Am hübschen Haus.
5. Und pflanzt' es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.
158. Wachtelschlag.
Von August Stöber.
1. Wie frisch erquickt, wie frisch er¬
quickt
Der muntre Wachtelschlag,
Wenn's aus dem Kornfeld bickberwickt
Am heißen Sommertag!
Das klingt aus voller Brust so hell
Wie sprudelnd aus dem Fels ein Quell.
2. Sei wohlgemut! Sei wohlgemut!
Das ist der Wachtel Rat.
Brennt noch so heiß der Sonne Glut,
Nur fröhlich bei der That!
Ein fröhlich Singen spät und früh
Versüßt des Tages Last und Müh'.
3. Vertrau' dem Herrn! Vertrau'
dem Herrn!
Das ist der Wachtel Ruf.
Der Herr behütet jährlich gern
Die Saaten, die er schuf;
Und ob es donnert, blitzt und kracht,
Getrost! Der Herr im Himmel wacht'