Full text: Deutsches Lesebuch für Sexta (Teil 1, [Schülerband])

264 Zur Grammatik. 
was die Kleineren den Größeren schuldig sind." So rettete der Fuchs 
sein' Leben. 
12. 
Ein Wolf und ein Lämmlein waren einst an denselben Bach ge¬ 
kommen, um ihren Durst zu löschen. Der Wolf trank oben am Bache, 
das Lämmlein aber unten. Kaum sah der Wolf das Lämmlein, so lief 
er hinzu und sprach: „Warum trübst du mir das Wasser, daß ich nicht 
trinken kann?" Das Lämmlein antwortete: „Wie kann ich? Trinkst du 
nicht über mir, und läuft nicht das Wasser von dir herab zu mir?" 
Der Wolf sprach: „Vor sechs Monaten hast du mir geflucht, jetzt wird 
dich die Strafe treffen." Das Lämmlein erwiderte: „Vor sechs Monaten 
war ich noch gar nicht geboren." Der Wolf aber hatte sich schon auf 
den schönen Braten gefreut und grollte nun, weil er dem Lamme nichts 
anhaben konnte. Darum sprach er: „Du hast mir meine Äcker und Wiesen 
abgenagt und verderbt." Das Lämmlein antwortete: „Das kann ja gar 
nicht geschehen sein, habe ich doch noch keine Zähne." „Ei," sprach der 
Wolf, „wenn du dich auch ausreden magst, so werde ich doch heute nicht 
ohne Speise bleiben," und würgte das unschuldige Lamm und fraß es. 
So geht der Welt Lauf; wer fromm sein will, muß leiden; der 
Böse thut ihm Gewalt, sollte er auch die Sache vom Zaune brechen." 
Aktiv und Passiv. Transttivr, intransitive und reflexive Verben. 
(Pronomina.) 
13. 
Die Zugvögel haben unser Land verlassen, der Wind weht kalt über 
die Stoppeln. Da bereitet der Landmann das Feld für eine neue Ernte 
vor. Mit blankem Pfluge reißt er den Boden auf, die Schollen werden 
von der Egge zerkleinert, und dann streut der Landmann den Samen auf 
das Land. Noch einmal geht die Egge darüber, und so werden all die 
kleinen Körnchen von der schützenden Erde bedeckt. Zur rechten Zeit schickt 
dann die Wolke einen milden Regen, die Sonne scheint darauf wieder 
warm vom Himmel, und nun beginnt in jedem Körnlein das Leben sich 
zu regen. Bald guckt hier und da ein braunes Blättchen aus dem Boden 
hervor, von dem ein zartes Würzelchen in die Tiefe dringt. Nicht lange 
währt es, so überzieht sich das Feld mit einem grünen Schimmer. Aber 
trübe Zeiten kommen. Der Himmel bedeckt sich mit grauen Wolken. 
Diese Wolken senden bald den weißen Schnee hernieder und hüllen die 
ganze Natur in ein weißes Gewand. Die Schneedecke aber schützt die 
junge Saat, und diese verschläft unter ihr ruhig und still die lange, lange 
Winternacht. 
Wenn aber der Frühling kommt, dann werden all die weißen Stern¬ 
lein von der Sonne hinweggeleckt. Die Lerche schwingt sich jubelnd in
	        
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