Full text: Deutsches Lesebuch für Sexta (Teil 1, [Schülerband])

Brüder Grimm: Das Riesenspielzeug. 
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da, aber ohne Macht und unten an den Tisch, vor dem die beiden saßen, 
festgebunden. Ringsum waren in Körben Gold und leuchtende Edelsteine 
aufgehäuft, und die Königstochter sprach zu dem Schäfer, der dastand und 
die Schätze anstarrte: „Nimm dir, soviel du willst!" Ohne Zaudern griff 
er hinein und füllte seine Taschen, soviel sie halten konnten, und wie er, 
also reich beladen, wieder hinaus wollte, sprach sie: „Aber vergiß das 
Beste nicht!" Er meinte nicht anders, als das wären die Schätze, und 
glaubte sich gar wohl versorgt zu haben, aber es war die Springwurzel. 
Wie er nun hinaustrat ohne die Wurzel, die er auf den Tisch gelegt 
hatte, schlug das Thor mit Schallen hinter ihm zu, hart an die Ferse, 
doch ohne weiteren Schaden, wiewohl er leicht sein Leben hätte einbüßen 
können. Die großen Reichtümer brachte er glücklich nach Hause, aber 
den Eingang konnte er nicht wiederfinden. 
34. Das Riesenspielzeug. 
Von den Brüdern Grimm. Deutsche Sagen. 
Im Elsaß auf der Burg Nideck, die an einem hohen Berge bei einen! 
Wasserfalle liegt, waren die Ritter vorzeiten große Niesen. Einmal ging 
das Riesenfräulein hinab ins Thal, wollte sehen, wie es da unten wäre, 
und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dein Walde gelegenes Acker¬ 
feld, das gerade von den Bauern bestellt ward. Es blieb vor Ver¬ 
wunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und Leute an, was ihr 
alles etwas Neues war. „Ei," sprach sie und ging hinzu, „das nehm' 
ich mir mit." Sie kniete nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, 
strich mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und that's hinein. 
Nun lief sie ganz vergnügt nach Hause, den Felsen hinaufspringend; wo 
der Berg so jäh ist, daß ein Mensch mühsam klettern muß, da that sie 
einen Schritt und war droben. 
Der Ritter saß gerade am Tische, als sie eintrat. „Ei, mein Kind," 
sprach er, „was bringst du da? Die Freude schaut dir ja aus den Augen 
heraus." Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hinein¬ 
blicken. „Was hast du so Zappeliges darin?" — „Ei, Vater, gar zu 
artiges Spielzeug! So etwas Schönes hab' ich mein Lebtag noch nicht 
gehabt." Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es 
auf den Tisch, den Pflug, die Bauern mit ihren Pferden, lief herum, schaute 
es an, lachte und schlug vor Freude in die Hände, wie sich die kleinen 
Wesen hin und her bewegten. Der Vater aber sprach: „Kind, das ist 
kein Spielzeug, du hast da etwas Schönes angestiftet! Geh nur gleich 
und trag's wieder hinab ins Thal!" Das Fräulein weinte, es half aber 
nichts. „Mir ist der Bauer kein Spielzeug," sagte der Ritter ernsthaft, 
„ich leid's nicht, daß du mir murrst; kram' alles sachte wieder ein und 
trag's an den nämlichen Platz, wo du's genommen hast! Baut der Bauer
	        
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